Samstag, 22. Januar 2011

Die Atmung, Teil 1

Wir atmen täglich etwa 10.000 Liter Luft ein und auch wieder aus. Das geschieht meist, ohne bewusst wahrgenommen zu werden.

Der Atemvorgang wird vom Atemzentrum im Hirnstamm ohne unser Zutun über Kontraktion und Entspannen des Zwerchfells gesteuert. Ob wir daran denken oder nicht, wir atmen. Wäre das nicht so, dann wäre spätestens nach fünf oder sechs Minuten unser Leben zu Ende.

Die Atmung kann aber auch willentlich beeinflusst werden.

Das erfolgt über die Nervenbahnen der Großhirnrinde, die mit dem Zwerchfell (die Muskel- platte, die Brustraum und Bauchraum trennt) und der Atemhilfsmuskulatur in Verbindung steht.

Aus unserer täglichen Erfahrung kennen wir den intensiven Zusammenhang und die Wechselwirkungen zwischen Muskelanspannung oder auch allgemeinen Spannungszuständen und Atmung. Unser unbewusstes Atemtempo sowie die Atemtiefe verändern sich mit der Veränderung der auf uns wirkenden äußeren Eindrücke.

Wenn wir uns aufregen, verärgert oder freudig erregt sind, ändern sich unsere Mimik und die Körperhaltung, aber auch Muskeltonus und die Stimmungslage.

In höchster Angst oder Bedrängnis kommt es immer zu einer Behinderung des Atmungsprozesses und gleichzeitig zu einer Einschränkung unserer feinmotorischen Fähigkeiten.

In Angst, höchster Eile oder hochgradiger Erregung einen Schlüssel in ein Schlüsselloch zu stecken, das wir normaler Weise schon tausend mal problemlos aufgesperrt haben, wird in den meisten Fällen erst nach wiederholten Versuchen gelingen .

Bei Atemnot unter Wasser oder bei einem Erstickungsanfall bleibt uns im wahrsten Sinne des Wortes die Luft weg und wir bekommen panische Angst.

Jede Behinderung des Atmungsprozesses führt zu Angst.

Aber auch psychische und körperliche Spannungen können eine Behinderung des Atemprozesses verursachen.

Versuchen Sie einmal, ganz böse oder finster zu schauen. Sie bilden Stirnfalten, verspannen die Gesichtsmuskulatur und pressen die Lippen zusammen. Das überträgt sich, ob sie es wollen oder nicht, auf andere Bereiche der Muskulatur von Brust, Nacken und Bauch.

Versuchen sie, mit angespanntem Gesicht tief zu atmen. Das gelingt nicht, es ist unmöglich. Nur flaches Atmen gelingt. Die Atemluft erreicht weder die oberen noch die unteren Lungenspitzen.

Lösen sie die Grimassen auf, lächeln sie. Das Gesicht entspannt sich und der Atem kann frei und ungehindert lang, sanft und gleichmäßig ein- und ausströmen.

Aber nicht nur dramatische oder emotionale Abläufe führen zur Veränderung von Atemrhythmus und der Muskelspannung.

Auch die uns täglich quälenden und immerfort kreisenden Gedanken, so wie auch Stress führen zu körperlichen Verspannungen und verursachen flaches Atmen.

Unser Körper ist auch von der Evolution nicht dafür geschaffen, täglich acht Stunden in zusammengesunkener Körperhaltung am Schreibtisch zu sitzen. Auch diese Menschen „sacken“ körperlich und seelisch in sich zusammen und die Atmung wird flach. Hier hilft nur Bewegung, wenn möglich in frischer Luft.

Meine Erfahrung mit Atemtherapie und verschiedenen Bewegungsformen zeigt mir, dass die Tiefenatmung alleine, also ohne begleitende körperlich Betätigung, bei längerem Üben nachweislich enorm positive Effekte auf die körperliche und seelische Gesundheit hat, dass aber die die Lungenvitalkapazität (Menge der Luft, die bei tiefem Einatmen wieder ausgeatmet werden kann) auch bei längerem Üben ohne körperliche Bewegung nicht wesentlich verbessert werden kann. Vermutlich sind die Trainingsreize, auch wenn sie über einen längeren Zeitraum gesetzt werden, zu kurz. Nach meiner Erfahrung sind Tai Chi Chuan, Qi Gong in Bewegung und auch milde Ausdauersportarten, die nicht zu Atemnot führen wie langsames Laufen, Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, Spaziergänge oder leichte Gartenarbeiten etc. für Menschen mit ungenügender Atemfunktion sehr förderlich und die ideale Ergänzung zu Atemtherapie, Meditation und zu Stillem Qi Gong. Der Allgemeinzustand, die Lungenvitalkapazität, das Immunsystem, das Herz- Kreislaufsystem, die Lockerung und Entspannung von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken, die Ausdauerleistung etc kann durch Bewegungen dieser Art sehr positiv beeinflusst werden.

Schon die alten chinesischen Mediziner kannten die Auswirkungen und Wechselbeziehungen zwischen der äußeren und inneren Entspannung, zwischen Ruhe und Stille im Inneren und gelassener Bewegung im Äußeren. Mit der Lockerung der Muskulatur entspannt sich auch leichter der gesamte Denkkomplex, so dass sich die umherirrenden Gedanken sammeln.

Nur mit der inneren Stille und äußeren Ruhe ist es auch möglich, tief, lang, langsam und ruhig zu atmen.

Anderseits bewirkt eine angespannte und konzentriere Denksubstanz auch die Anspannung der Muskulatur. Die Atmung bleibt dann flach, es wird zu wenig Sauerstoff aufgenommen, dadurch wird auch schneller und nicht rhythmisch geatmet.

Je entspannter die Muskulatur ist, desto tiefer ist der erreichte Ruhezustand der Gehirnrinde und desto ruhiger und tiefer ist die Atmung.

Je tiefer der Ruhezustand der Gehirnrinde ist, desto weniger umherirrende Gedanken sind vorhanden und desto entspannter sind Muskulatur und Atmung.





© 2011Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen