Mittwoch, 5. Januar 2011

Auch die längste Reise beginnt mit einem kleinen Schritt (Laotse)

Im ersten Jahr meines Jurastudiums hatte ich das Kolloquium in Rechtsphilosophie zu absolvieren, wo neben den neuzeitlichen Themen auch die abendländische Wurzeln der Rechtsphilosophie und auch die fernöstlichen Denkschulen eines Laotse, Dschuang Dsi, Konfuzius und anderer Großer Denker behandelt wurden. Während Konfuzius, dessen zentrales Thema die „Ordnung der Gesellschaft“ war, für uns im Westen relativ leicht zu verstehen ist, erfordert das Annähern an das Gedankengut des Tao Te King, das bedeutendste Werk des Daoismus, welches Lao Tse zugeschrieben wird, ein intensives Studium.

Hermann Hesse sagte:“ Die größte Herausforderung unseres Jahrhunderts ist, den Daoismus zu verstehen“.

Ich war und bin von diesem Klassiker von Anfang an fasziniert und er hat seit dem ersten Kontakt mein Denken und meine Lebensphilosophie geprägt.

Parallel zu der intellektuellen Auseinandersetzung mit den chinesischen Klassikern und dem historischen Hintergrund tauchten erstmals Begriffe Tai Chi, Qi Gong usw. in meiner Gedankenwelt auf und machten mich neugierig.

Irgendwann erzählte ein Bekannter, dass er in Japan in einem Tempel ein Seminar über Makrobiotik besucht hatte und da während seines sechswöchigen Aufenthaltes Tai Chi Chuan von einem europäischen Lehrer gelernt hätte. Dieser Bekannte hielt dann makrobiotische Ernährungsseminare nach Georges Oshawa und Michio Kushi mit Tai Chi Chuan als Schwerpunkt ab.

Ich meinte, ich hätte endlich Gelegenheit, diesen wesentlichen Teil der daoistischen Inneren Kampfkünste zu lernen und war letztlich maßlos enttäuscht. Die Bewegungen ähnelten ein wenig denen, die ich aus den damals aktuellen Kung Fu filmen kannte und auch die Benennung einzelner Figuren, (Figuren nennt man im Tai Chi Chuan die einzelnen Bewegungssequenzen, aus denen die sogenannte Form, also die aneinandergereihten Bewegungssequenzen, zusammengesetzt ist) die mein neuer Lehrer wählte, waren verwirrend. Eine Bewegungssequenz nannte er „Wäsche aufhängen“, was absolut nicht auf einen chinesischen Ursprung hinwies. Die chinesischen Meister benutzen für solche Bewegungssequenzen Ausdrücke wie: „Spatzenschwanzfangen“, „Nadel auf dem Meeresgrund“, „Mähne des Wildpferdes streicheln“ und ähnliches. Nun, ich versuchte innerhalb von 2 Jahren immer wieder einen Zugang zu Tai Chi zu erlangen, und auch zu den Qi Gong Übungen, die mir ebenfalls etwas holprig und unkoordiniert schienen, und obwohl ich so erwartungsvoll begonnen hatte, konnte ich mich dafür nicht begeistern.

Ich spürte beim Üben absolut nichts, weder mental, noch körperlich, noch psychisch. Nichts war mit dem Wahrnehmen von Qi und sonstigen erwarteten Sensationen wie Auflösung von Energieblockaden, Hitzeentwicklung, Kribbeln entlang der Meridiane und was sonst noch alles beschrieben und in Aussicht gestellt wird. Letztlich hielt ich das alles für eine gruppendynamische Erscheinung, wo jeder das erfüllen will, was er sich an Effekten erwartet oder was er meint, was eintreten sollte. Wenn in einer Gruppe von Lernenden und Übenden jeder ein Feedback gibt und beschreibt, was für Sensationen er spürt, gibt es wenige, die den Mut haben, aus der Reihe zu tanzen und zu sagen, dass sie gar nichts spüren. Die Folge war, dass ich aufgab und mich exzessiver meinem Sport zu wandte. Doch dieses Kapitel war offensichtlich für mich noch nicht abgeschlossen. Es dauerte nicht lange, bis quasi „vor meiner Haustür“ in meiner Heimatstadt von einem chinesischstämmigen Tai Chi Lehrer einige Seminare angeboten wurden, wo ich dann erstmals unter Anleitung eines kundigen Lehrers die Grundprinzipien und die richtigen Bewegungen (als ersten kleinen Schritt) von Tai Chi und Qi Gong erlernte. Schon von Beginn an konnte ich die positiven Effekte für Körper, Geist und Gemüt wahrnehmen, spürte nach und nach mit Fortdauer der Übungen das Qi im Körper fließen, fühlte mich nach den Übungen wie neu geboren, wie einem erfrischenden Bad entstiegen, frei von allen lästigen Verspannungen und die bei den Übungen gewonnene innere Gelassenheit floss mit den Jahren immer mehr in meinen Alltag ein.

Der nächste kleine glückliche Schritt war dann, dass ich in Frau Dr. Josephine Zöller aus Berlin (im Jahr 1984), eine Pionierin der Qi Gong Szene in Europa, kennenlernen durfte.

Frau Dr. Zöller erzählt uns in Ihren Seminaren die spannende Geschichte, wie es dazu kam, daß sie traditionelle chinesische Medizin (TCM) studierte:

Als Berliner Ärztin hatte sie eine schwere Krankheit an einem Auge erblinden lassen, dazu kam, dass sie laut eigener Aussagen befürchtete, früher oder später an den Rollstuhl gebunden zu sein und früh pensioniert wurde. In dieser schwierigen Situation erfüllte sie sich den lange gehegten Wunsch, nach China zu reisen und im Krankenhaus von Xian die TCM zu erlernen.

Sie erzählte anlässlich Ihrer Seminare, die ich besuchte, schier Unglaubliches über das Können der Qigongmeister, wobei sie das meiste persönlich gesehen und erlebt hatte.

Einer Meister war in der Lage, die molekulare Konsistenz des Wassers zu verändern.

Ich bin der Frage, wie die neue Konsistenz des Wassers dann war, nie nachgegangen, aber angeblich gibt es darüber Analysen und Protokolle und diese Sensation sei von einer wissenschaftliche Kommission bestätigt worden.

Ein anderer Qi Gong Meister verbog über eine Entfernung von 2000 km Nähnadeln, die in einem verschlossenen und versiegelten Glas – Behälter lagen, mit seiner Geisteskraft. Auch darüber gibt es glaubwürdige Berichte.

Bei einer Qi Gong Vorführung in einer Sport- Halle in Peking wurden 5.000 Zuseher Zeugen, wie ein Qi Gong Meister den Kopf seines 7- jährigen Sohnes auf einen Ziegel legte und dann auf dem Kopf des Kindes einige weitere Ziegel platzierte,welche von der Mutter des Kindes gehalten wurden. Dann schlug der Qi Gong Meister zum Entsetzen der Zuschauer mit einem Eisenschlegel auf den obersten Ziegel. Alle Ziegel zersprangen, auch der Unterste, der Junge aber blieb unversehrt und heil.

Vieles von dem, was sie erzählte, grenzte an Zauberei.

Im Krankenhaus von Xian erlebte sie, wie hellsichtige Kinder ihre Fähigkeiten bewiesen. Die Ärzte oder auch Krankenhauspatienten oder unabhängige ausländische Besucher schrieben, was immer sie wollten, verborgen auf einen kleinen Zettel oder machten eine Zeichnung. Die Kinder saßen mit dem Gesicht abgewendet und es gab weder Spiegel noch konnte ihnen irgendwer Zeichen geben. Der Zettel wurde verdeckt eingerollt und einem der Kinder ins Ohr gesteckt. Das Kind hatte ebenfalls Papier und Bleistift vor sich auf dem Tisch liegen und zeichnete dann auf dem Papier nach, was es vor seinem geistigen Auge sah. Auch Wörter in anderen Sprachen und fremde, den Kindern völlig unbekannte Worte und Schriftzeichen und Buchstaben wurden fehlerlos nachgezeichnet. Sie erklärten, dass sie sich konzentrierten und, wenn ihr Kopf im Inneren ganz hell wurde, sahen sie, was auf dem Papier in ihrem Ohr war. Diese hellsichtigen Kinder, die im Krankenhaus in der menschlichen Anatomie geschult worden waren, konnten in die Körper der kranken Patienten sehen und Veränderungen im Inneren der Menschen bis ins kleinste Detail beschreiben. Für die Ärzte war das natürlich eine Große Hilfe beim Finden der korrekten Diagnose.

Eines der Kinder schaute Frau Dr. Zöller, als sie die Kinder das erste mal im Krankenhaus traf, ins Gesicht und sagte: Das eine Auge ist nicht durchblutet.
Niemand konnte das von außen sehen. Auch ein Augenarzt nicht. Aber sie war tatsächlich auf diesem Auge blind.

Einige dieser Erlebnisse sind in ihrem Buch „Das Tao der Selbstheilung“ nachzulesen, das übrigens eine empfehlenswerte Lektüre für Interessierte ist, die sich über Qi Gong tieferes Wissen aneignen wollen.

Ihre Schilderungen, die ich zugegebener Maßen anfangs doch etwas skeptisch betrachtete, waren für mich der Grund, selbst nach China zu fahren (ein weiterer kleiner Schritt in Richtung Dao) und berühmte Qi Gong Meister in insgesamt 5 chinesischen Provinzen aufzusuchen. Ich konnte mich mit meinen eigenen Augen von ihren Fähigkeiten überzeugen.

Am meisten beeindruckte mich damals, dass diese über 70 Jahre alte Ärztin, die Deutschland nicht im besten Gesundheitszustand verlassen hatte, bei ihren Seminaren geistig jung, frisch und humorvoll agierte und auch körperlich beweglich und gelenkig wie ein junges Mädchen war.
Selbst die jüngeren Seminarteilnehmerinnen und die sportlichsten Männer waren bei weitem nicht so beweglich und konnten die Beine nicht so hoch vor und über die Kopfhöhe heben wie diese alte Dame. Das hat mich tief beeindruckt und ist das beste Zeugnis, was auch im körperlichen Bereich mit Qi Gong erreichbar ist.

Von unschätzbarer Bedeutung ist heute noch die Tatsache, dass Frau Dr. Zöller als Schulmedizinerin mutig und ohne jeden Vorbehalt nach China ging, um TCM zu erlernen und dort neben vielen anderen Qi Gong Arten auch Guolin Qi Gong praktizierte. Guolin Qi Gong wird mit unglaublichem Erfolg bis zum heutigen Tag in der Behandlung von schweren chronischen Krankheiten und in der Krebstherapie eingesetzt. Dr. Zöller unterrichtete und verbreitete Qi Gong im deutschen Sprachraum, wo sie, so wie einige andere bekannte Mediziner(innen) aus Deutschland und Österreich, die hervorragende Bücher über TCM und Qi Gong schrieben (einige dieser Bücher habe ich mit Begeisterung gelesen und werde sie in Folge-Posts empfehlen), wesentlich dazu beitrug, dass Qi Gong nach und nach von der westlichen Schulmedizin als komplementäre Heilmethode Anerkennung fand. Dazu sei angeführt, dass schon im Jahre 1976 im Ludwig Boltzmann Institut in Wien eine Mandeloperation unter Akupunkturanästhesie erfolgreich durchgeführt wurde. Meines Wissens war dies die erste Operation dieser Art in Europa.


Mehr über Guolin Qi Gong und meine Erlebnisse in China werde ich in einigen der folgenden Posts beschreiben.



©2010 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

1 Kommentar:

  1. Unsere westliche Zivilisation hat sich weit von unserem eigentliche "Sein" entfernt. Der Weg zurück führt durch unseren inneren Körper. Wenn Qi Gong uns helfen kann, zu uns zurückzufinden, dann ist es sicher wert, sich damit so intensiv zu beschäftigen, wie Du es getan hast.

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