Montag, 18. Juli 2011

Die Lehre der Fünf Elemente, Manifestationen, Wandlungsphasen

In der alten, klassischen, chinesischen Anschauungsweise entstand der Kosmos aus dem Urzustand, den sie „WUJI“ (den „Urzustand des Dao“) nannten. Als „WUJI“ wird jener Urzustand bezeichnet, in dem alle Existenzen potenziell enthalten, aber noch nicht in Erscheinung getreten sind.

WUJI“ wird symbolisch als leerer Kreis dargestellt.

Aus diesem Urzustand (WUJI) entsteht das „TAIJI“ (das „Allerhöchste Eine“),in dem die Polarität von YIN und YANG zum Ausdruck kommt. Durch Bewegung entsteht „Yang“. Wenn die Bewegung ihren Höhepunkt erreicht, beginnt sich das im Yang als Kern (Samen) angelegte Yin zu entwickeln und in gleichem Maße, wie die Bewegung schwächer wird, wird die Ruhe des Yin stärker. Wenn das Yin am stärksten wird, beginnt das in ihm als Kern (Samen) angelegte Yang wieder den Zyklus von vorne.

Der Bewegung folgt Ruhe und der Ruhe folgt Bewegung.

Nach alter klassischer Ansicht sind Yin und Yang polare, gegensätzlich wirkende Kräfte, in denen sich Qi als universelle Urkraft manifestiert. Yin und Yang gelten als der „Puls des Universums“. Jeder dieser Aspekte von Qi trägt den Kern des gegensätzlichen polaren Partners in sich. Im großen Yang ist das kleine Yin, das am Höhepunkt von Yang erwacht und sich bei schwächer werdendem Yang zum großen Yin entwickelt und umgekehrt. Es kommt also zu einem ständigen dynamischen Wandel zwischen Yin und Yang.

Diese beiden Kräfte bestehen also nicht unabhängig voneinander, sondern gehen ständig ineinander über.

Laotse, 6. Jh. v. Chr., „Dao-de-jing“, über YIN und Yang:

Beides ist eins dem Ursprung nach und nur verschieden durch den Namen. In seiner Einheit heißt es das Geheimnis, das Tor, durch das alle Wunder hervortreten“.

Das Qi mit seinen ständig wechselnden Aspekten Yin und Yang ist das Tor, aus dem alle Wunder hervortreten. Hier liegt die Ursache der Bewegung der Planeten, durch die Naturkraft Qi scheint die Sonne, bläst der Wind, durch YIN und YANG existiert der Mensch und die den Menschen umgebende Natur mit ihren Elementen.

Daraus entwickelt sich die untrennbare Verschmelzung und Abhängigkeit des Menschen mit der Natur.

Schon in frühesten Zeiten erkannten die Beobachter die Parallelität zwischen dem ständigen Wandel von Tag und Nacht, von den Jahreszeiten, von Ebbe und Flut, von Werden und Vergehen mit dem Schlaf- und Wachzustand, den Perioden des Menschenlebens, dem Aus- und Einatmen und der Geburt und dem Tod des Menschen.

Da noch viele andere Analogien wahrgenommen wurden, lag es nahe, die Prozesse im menschlichen Körper den Prozessen in der Natur gleichzusetzen und die in der Natur wirkenden Elemente, Kräfte und Vorgänge als Entsprechung auf den Mikrokosmos Mensch anzuwenden.

Schon in klassischer Zeit verglichen die Chinesen die Naturkraft Qi mit Bächen, Flüssen, Seen und Ozeanen. Sämtliche im Makrokosmos und im Mikrokosmos Mensch wirkende Kräfte wurden unter den Begriff Qi subsumiert.

Das Konzept der Natur- und Lebenskraft Qi wurde zur Grundlage von Philosophie und Heilkunst.

Diese Erkenntnisse ließen die daoistische Philosophie und die Chinesische Medizin entstehen.

Grundlage von beiden ist die Erkenntnis, dass der Mensch nur dann richtig handelt, wenn er sein Tun mit der Natur in Einklang bringt.

Sieht man von übertriebenen Analogien ab, ist das auch heute noch ein guter praktischer Hinweis für ein gesundes Leben.

Erwähnenswert scheint zu sein, dass schon vor Jahrtausenden erkannt wurde, dass sich im Frühjahr die Lebererkrankungen und im Sommer die Herzerkrankungen und Wechselfieber häuften und

dass die Lunge im Herbst besonders anfällig ist und man im Winter insbesondere auf die Nieren achtgeben muss.

Das wurde im Buch (eigentlich ist es eine Buchsammlung) über Chinesischen Medizin, im „Innere Heilkunde des Gelben Kaisers“ (Huang-ti Nei-ching su-wen), im Jahr 30 -20 v. Chr. geschrieben, wobei einzelne Teile der Sammlung in das 2. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung datiert werden. Diese Buch-Sammlung ist noch heute das bedeutendste Standard-Werk an den Universitäten der Chinesischen Medizin.

Aus all diesen Erkenntnissen entwickelte sich eine „kosmomorphische“ Lebenseinstellung, die noch heute von den daoistischen Nonnen und Mönchen gelebt wird.

Sie stehen mit dem Sonnenaufgang auf und gehen bei Sonnenuntergang zu Bett oder meditieren. Sie richten, soweit wie möglich, alle Aspekte des Lebens nach der Natur, nach dem Lauf der Sonne und den Jahreszeiten.

Nachdem die umfassende Gültigkeit des Yin und Yang Prinzip erkannt worden war, analysierte man deren Auswirkungen und Einfluss auf die zyklischen Abläufe und Prozesse in der Natur.

Die weisen Alten erkannten Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten, ähnlich denjenigen von

Holz - Feuer - Erde - Metall - Wasser

Diese als Elemente erkennbare Grundmuster charakterisieren die Phasen eines sich ständig wiederholenden Prozesses, der in ähnlicher Weise in einem labilen und dynamischen Gleichgewicht zwischen unterschiedlichen Zuständen immer wieder abläuft.

So entstand die „Lehre der fünf Elemente/fünf Wandlungsphasen/fünf Manifestationen“.

Sie besagt, dass alle Erscheinungen dieser Welt einem unaufhörlichen Wandel unterworfen sind. Dieser Wandel verläuft gesetzmäßig und zyklisch unter endloser und variierender Wiederholung der fünf Grundmuster.
Diesem Weltbild entsprechend werden alle Vorgänge und Veränderungen in der Natur der permanenten Wechselwirkung der fünf Grundmuster zugeordnet.

Diese fünf Grundmuster (Elemente/Wandelphasen/Manifestationen) symbolisieren fünf voneinander unterschiedliche Qualitäten in der Natur, die durch ihre Dynamik fähig sind, sich gegenseitig zu beeinflussen.

Die daraus entstehenden zyklische Wandlungsphasen laufen nach einem vorgegebenen Muster ab.

Die fünf Elemente/Wandlungsphasen/Manifestationen können zueinander in einem nährenden Verhältnis stehen, oder einander kontrollieren, überwinden oder überwältigen.

Holz nährt Feuer nährt Erde nährt Metall nährt Wasser nährt Holz...

Holz kontrolliert (bändigt) Erde kontrolliert Wasser kontrolliert Feuer kontrolliert Metall kontrolliert Holz...

Holz überwindet Erde überwindet Wasser überwindet Feuer überwindet Metall überwindet Holz...

Holz überwältigt Metall überwältigt Feuer überwältigt Wasser überwältigt Erde überwältigt Holz...

Diese fünf elementaren Zustände sind fünf Stadien einer Transformation und eine Manifestation von Qi im universellen Prozess von Werden und Vergehen. Sie sind immer als „ein Ganzes“ zu sehen und befinden sich permanent entweder im Zustand der Ausdehnung oder des Zusammenziehens.

Die „Lehre der fünf Elemente“ ist eine subtile Darstellung des Wandels von Yin und Yang.

Die „Lehre von den fünf Elementen/Wandlungsphasen/Manifestationen“ bezieht sich nicht auf die Qualitäten eines fixen Zustands, sondern beschreibt die qualitativen Durchgangsphasen eines sich Augenblick für Augenblick wiederholenden Wandlungszyklus in der Natur.

Die Idee der fünf Elemente und ihre Anwendungen haben eine lange Tradition und fanden Eingang im Alltagsleben der Chinesen. Sie wurden auch zur Grundlage der Chinesischen Medizin.

Die ersten Aufzeichnungen darüber stammen aus dem 6./5. Jh. vor unserer Zeitrechnung. In diesen Schriften wurden die Grundmuster als „Fu“ („Sitz der Regierung“) bezeichnet.

In späteren Schriften als „CAI“ (Möglichkeit, Material).

Ursprünglich gab es sechs „FU“, aus denen im Laufe der Zeit nach dem Wegfall des sechsten „ FU“ (Getreide) die fünf „WUCAI“ (die fünf Möglichkeiten) und noch später die noch heute gebräuchlichen „WUXING“ („WUHSING“) wurden. Das Kapitel „Hung Fan“ aus dem „Buch der Schriften“ („Shu Ching“) aus der „Han“ Zeit (206 v. Chr. - 220 n. Chr.) führt diese „WUXING“ an.

WU“ wird als Fünf übersetzt, und „XING“ (HSING) als „Begleiter“, „Gefährte“, aber auch als „Bewegung“, „Prozess“, „Verhalten“, „leiten“, „Durchgang“.

Diese fünf elementaren Zustände repräsentieren folgende Phasen:

Erde und Metall repräsentieren die Phase der zunehmenden Verdichtung der Materie, also zunehmendes YIN.

Holz und Feuer repräsentieren die Phase zunehmender Ausdehnung, also zunehmendes YANG.

Wasser repräsentiert einen Sonderfall. Wasser verbindet als Mittler die Gegensätze zu einem Ganzen, indem es in allen Aggregatzuständen existiert. Als Eis ist es verfestigt, als Wasser verflüssigt und als Dampf gasförmig.

Im Folgenden soll nur kurz die Bedeutung der „Lehre von den WUXING“ für die Chinesische Medizin gestreift werden.

In der westlichen Medizin bemüht man sich in der Diagnose, auf das anatomische Substrat, also auf die Organe zurückzugreifen. Dort, wo kein eindeutiger Organbezug feststellbar ist, sondern wo sogenannte „systemische Erkrankungen“ vorliegen, wie zum Beispiel bei Stoffwechselkrankheiten oder Rheuma, versucht man, stofflich messbare Parameter zu finden, wie die krankhafte Veränderung des Blutbildes oder Feststellung von Krankheitserregern wie Viren oder Bakterien. Bei Erkrankungen, bei denen es keine Messergebnisse gibt, wie bei Befindensstörungen oder Schmerzen kommt man zwangsläufig in den Bereich, wo meist psychosomatischen Störungen vermutet werden.

Die Chinesische Medizin geht von Funktionsbereichen aus. Körperliche Funktionen und Lebensäußerungen, physiologische Abläufe und auch krankhafte pathologische Symptome werden in einem Raster erfasst und können in einem sinnvollen Zusammenhang verstanden werden.

Im Diagnosegespräch des Chinesischen Arztes werden nahezu alle Phänomene erfasst, seien es aktuelle, psychische, emotionale, körperliche oder organische. Alles findet in diesem Raster Berücksichtigung.

Der wesentlichste Unterschied zwischen Westlicher Medizin und Östlicher Heilkunst besteht im grundlegenden Konzept von der Lebenskraft Qi.

Im Zustand der Gesundheit fließt Qi harmonisch und ausgeglichen in unserem Körper. Disharmonie und Blockaden von Qi bedeuten nach östlichem Verständnis Krankheit.

Das erfahren wir in der Regel durch Symptome, welche die Funktion von Notsignalen übrnehmen. Diese können vielfältig sein: Schlaflosigkeit, Migräne, Schmerzen, Magengeschwüre, funktionelle Störungen und/oder sonstige Beschwerden.

Für die „Chinesischen Mediziner“ deuten diese Symptome auf Störungen im Fluss des Qi hin.

Wir können auch meinen, die Symptome sind die Störungen selbst und versuchen, sie zu beseitigen.

Genauso gut kann man aus der Sicht der Chinesen die Kontrollinstrumente im Auto, welche eine Störungen anzeigen, abklemmen oder überdecken und hoffen, die Störung sei dadurch beseitigt.
Oder Licht ausmachen, indem man es überdeckt, bis es finster wird, und glauben, es wäre ausgeschaltet..

Deshalb versucht der Chinesische Arzt, die mit Hilfe der den 5 Elementen zugeordneten Attribute und Entsprechungen als diagnostisches Handwerkszeug den Zustand des Qi zu beurteilen und die Ursache der Krankheit zu ermitteln.

Er prüft den Klang und Kraft der Stimme, Farbnuancen des Gesichts, die vorherrschende Gemütsverfassung, Temperatur und Beschaffenheit der Haut, Gang und Körperhaltung, Entwicklungsgeschichte der Kindheit, Geschmacksvorlieben, die besten und die schlechtesten Zeiten des Tages,Träume, Appetit, Ernährung, Schlafverhalten, Tätigkeit von Blase und Darm, sexuelle Energie, Belastungen innerhalb der Familie und am Arbeitsplatz, Sinnes-schärfe, Gewohnheiten und Vorlieben, Klima/Witterung, äußere Körpermerkmale.

Diese Aufzählung ist demonstrativ (nicht taxativ) und könnte noch fortgesetzt werden. Wichtig ist, man bekommt einen Eindruck von der Erstellung der Diagnose. Natürlich kommt dazu noch die Pulsdiagnose als wichtiges Handwerkszeug. Jedes Organ und der dazugehörige Funktionsbereich ist mit einem eigenen Puls verbunden und mit weiteren Lebensaspekten. Mit einem Gefühl, einem Geschmack, einer Farbe, einer Tageszeit, einer Jahreszeit, einem Geruch, einem Klang, einem Sinnesorgan, einer Körperöffnung, einem Meridian in dem Qi fließt usw.

Das nennt man die „Entsprechungen eines Organs“.

Wer sich in diesem Thema vertiefen will, findet dazu zahlreiche Literatur in vielen Sprachen. Obwohl ich üblicher Weise keine Literaturhinweise gebe, kann ich die von mir vor etwa 20 Jahren gekaufte Taschenbuchausgabe

Die Medizin der Chinesen“ (Goldmann Verlag) von Dr. med. Carl-Hermann Hempen als sehr gut verständliches und auch im philosophischen Sinn hochinteressantes Werk empfehlen.

Auch das YIJING (das Buch der Wandlung, dessen älteste Teile aus dem 3. Jh. v. Chr. stammen sollen) bezieht sich auf die Wandlungsphasen. Die Forschung geht davon aus, dass das YIJING aus der Orakelpraxis des 3. Jahrtausend v. Chr. hervorgegangen ist. 64 sogenannte Hexagramme (jedes Hexagramm wird aus zwei Trigrammen gebildet, bestehend aus jeweils drei durchgehenden oder unterbrochenen Linien, die übereinander angeordnet sind) beschreiben 384 Situationen und geben entsprechende Verhaltensmaßregeln. Da jedes der 64 Zeichen durch den Wandel einer oder mehrerer Linien in alle anderen übergehen kann, gibt es 64 x 64 also 4096 implizite Übergänge oder Möglichkeiten des Umschlagens einer Situation. Im Augenblick des Werfens der Schafgarben zwecks Befragung des Orakels wird die gerade wirksame und bedeutende Wandlungsphase dargestellt und das jeweilige Trigramm gibt auch versteckte Hinweise auf Übungen des QI GONG (früher DAOYIN), die gerade hilfreich sein können.

Bei Stagnation: Wählt man Übungen, die das Qi stärken und zum Zirkulieren anregen.

Bei Erregung und Stress: Sind alle Dant'ien Übungen hilfreich, das Qi wird dabei im Dant'ien gesammelt und ins Dant'ien zurück geleitet.

Bei Unsicherheit und Zaudern: Sollten Nieren- und Herzstärkende Übungen gemacht werden, auch Stilles Qi Gong (Sitzen oder Baumstellung) ist hilfreich.

Für Interessierte an der daoistischen Philosophie erfolgt hier noch eine Zusammenfassung:

Am Anfang steht das „WUJI“, der „Urzustand des Dao“.

Aus dem WWUJI“ erwächst das „TAIJI“, das „Allerhöchste Eine“.

Daraus entstehen die „zwei Prinzipien“ aus der Bewegung und Ruhe „Yin und Yang“,
Yin und Yang“ sind der „Puls des Universums“.

Aus YIN und YANG entstehen die „Drei“: „Himmel - Erde - Mensch“.

Aus „Himmel – Erde – Mensch“ entstehen die „WUXING“ (fünf Elemente, Wandlungsphasen, Manifestationen).

welche die „WAN-Wu“, die „Zehntausend Dinge“ hervorbringen. „Zehntausend Dinge“ sind ein Synonym für unendlich viele Dinge.

Im Chinesischen galt „Zehntausend“ als Grenze des Zählbaren und wurde als Symbol für das Unendliche gebraucht.


©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann