Samstag, 20. August 2011

Übungen des „Äußeren Stärkenden Qi Gong"

Wie schon vielfach in diesem Blog beschrieben, ist Grundlage von jedem Qi Gong immer Entspannung des gesamten Körpers und innere Ruhe und Stille.

Ein weiterer Grundsatz des Qi Gong ist, dass das „Stille Qi Gong“ immer durch „Qi Gong in Bewegung“ ergänzt bzw. komplettiert werden muss und umgekehrt.

Das gilt seit Alters her auch für die Übungen des „Inneren Nährenden Qi Gong“ und des „Inneren Stärkenden Qi Gong“.

In diesem Sinne komplettieren die Übungen des „Äußeren Stärkenden Qi Gong“ die „Inneren Übungen“. Die „Äußeren Stärkenden Übungen“ können sowohl im Stehen wie auch im Sitzen ausgeführt werden.

Beim „Stillen Qi Gong“ richtet sich die Aufmerksamkeit des Übenden im Sitzen , Liegen oder Stehen auf die Atmung, und wenn diese von alleine fließt, auf das Untere Dant'ien. Während im Äußeren Ruhe herrscht, erfolgt im Inneren die Bewegung des Qi Flusses, der vom Dant'ien in bestimmte Leitbahnen und Kreisläufe zu strömen beginnt.

Die Übungen in Bewegungen unterscheiden sich von den Übungen in Ruhe dadurch, dass die physischen Bewegungen oder Aktivitäten die Energie mit dem Atem durch den ganzen Körper führen.

Der alte daoistische Begriff dafür war „Dao-Yin-Shu“, übersetzt „Technik der Atemführung“.

Der Begriff „DAOYIN“ wurde erst in den 1950-er Jahren durch den heute üblichen Begriff
Qi Gong“, in der Bedeutung von „Arbeiten mit Qi“, ersetzt..

In die historischen Übungen aus den daoistischen und buddhistischen Tempeln flossen im Laufe der Zeit auch neue Bewegungsübungen mit ein. Viele Ärzte wandten die altem Übungsmethoden an und reicherten sie mit ihrer Erfahrung an. Diese Übungen wurden von traditionellen Ärztefamilien gesammelt und den Nachkommen und Schülern gelehrt. Die überlieferten Übungen wurden von den modernen chinesischen Ärzte in verschiedenen chinesischen Kliniken angewandt. Der in diesem Blog schon oft erwähnte Dr. Liu Kui-chen hat solche Traditionen gesammelt und als Leiter des Atemtherapeutischen Institutes von T'angschan gesammelt, an sich in Selbstversuchen und dann an Patienten probiert und publiziert. Die medizinische Wirksamkeit dieser Übungen wurde in zahlreichen medizinischen Studien bestätigt und auch vom berühmten russischen Arzt Prof. Krasnoselski überprüft und für das Sanatorium auf der Halbinsel Krim übernommen.

Einige dieser „Stärkenden Äußeren Übungen“ finden sich in anderen Systemen wieder, so zum Beispiel bei den „Acht Eleganten Übungen im Sitzen“ („Ba Duan Jin“) und auch in anderen alten Übungsreihen. Ich stelle hier von den vielen mir bekannten Übungen nur jene vor, die ich bei meinen daoistischen Lehrern in China erlernte und selbst nahezu jeden Tag seit vielen Jahren praktiziere. Sie decken sich nur teilweise mit den Übungen der TCM für kranke Patienten in den Sanatorien.

Die Stärkenden Übungen sind für uns westliche Menschen sehr einfach zu lernen, stellen ein eigenes, wertvolles und hoch effizientes Übungssystem dar und eignen sich auch bestens dazu, nach anderen Übungen, seien sie aus dem „Jing Gong“ oder „Dong Gong“, zum Auflösen eventuell verbliebener Blockaden eingesetzt zu werden. Diese Übungen haben sich bei allen von mir unterrichteten Qi Gong Adepten, auch bei Senioren, als wahrer Jungbrunnen erwiesen und es gibt kaum ein verleichbares System, das z.B. in Arbeitspausen mit wenig Zeitaufwand das Qi so anregt und in den Leitbahnen zum Zirkulieren bringt. Auch zum Erfrischen bei Pausen auf Reisen eignen sich diese Übungen bestens. Man kann auch problemlos bei Zeitmangel einzelne Übungen auswählen und praktizieren, die einem besonders gut tun.

  1. Das Gesichtreiben(-waschen)
Die Handflächen werden solange aneinander gerieben, bis sie warm sind und dann wird das Gesicht von oben nach unten und von unten nach oben wie beim Waschen gerieben, am besten
18 mal, dabei wird das ganze Gesicht und einige male auch mit den Daumen hinter den Ohren gerieben. Diese Gesichtsmassage ist anregend für die Gesichtsnerven und verhindert Faltenbildung. Die Durchblutung wird gefördert und die Haut bekommt eine gesunde Farbe.

  1. Das Nasenreiben

Die Seiten der Zeigefinger werden solange aneinander gerieben, bis sie warm sind und man reibt mit beiden Zeigefingern entlang der Nasenflügel von den Mundwinkel hinauf bis zwischen die Augen zur Stirn 36 mal auf und ab. Dies ist vorbeugend gegen eine Erkältung der Nasenhöhle und schafft bei Schnupfen eine freie Nase. Nach der TCM wird dadurch die Lunge befeuchtet.

  1. Um die Augen reiben

Mit geschlossenen Augen reibt man mit den Fingerkuppen oder den äußeren Gelenken der Daumen, die vorher warm gerieben werden, von den äußeren Augenwinkeln über die Augenbrauen und Augenlider der geschlossenen Augen in Richtung Nasenwurzel und unter den Augen zurück über die Gesichtsknochen. Nach 18 mal reibt man in die Gegenrichtung, bei der Nasenwurzel beginnend. Man massiert dadurch die Augenlider und die Gegend der Augenbrauen und viele Akupunkturpunkte der Yang Meridiane. Danach dreht man bei geschlossenen Augenlidern die Augenäpfel 18 mal von rechts nach links. Das beugt Augenkrankheiten vor und stärkt das Sehvermögen.

  1. Die Zungenübung (Umrühren des Meeres)

Man bewegt die Zunge 18 mal kreisend am äußeren Zahnfleisch von rechts oben nach links unten und weiter kreisend nach rechts und nach oben zurück. Dann das gleiche 18 mal von links oben nach rechts unten und weiter den Kreis vollendend zurück. Der Speichel wird gesammelt und bleibt in der Mundhöhle.

  1. Das Schlucken des Speichels

Man spült den gesammelten Speichel (Honigtau oder Wein des langen Lebens genannt) 36 mal durch den Mund und schluckt ihn dann in kleinen Portionen (in der Vorstellung) bis ins Dant'ien hinab.

Die Zungenübung und das Schlucken des Speichels beseitigt bitteren Mundgeschmack, den Zungenbelag und Kehlkopfschmerzen. Durch die fermentierende Wirkung des Speichels wird die Verdauung gefördert.

  1. Das Kopf klopfen
Mit allen Fingerkuppen beider Hände wird der Kopf an allen erdenklichen Stellen geklopft, mindesten 36 mal mit allen Fingerkuppen bis zum Nacken. Die Intensität wird frei gewählt.

Anschließend fährt man mit den Fingern beider Hände wie mit Kämmen vom Haaransatz an der Stirn 18 mal über die Kopfhaut nach hinten zum Nacken

und klopft dann mit den flachen Händen und Fingern von vorne nach hinten 36 mal mit selbstgewählter Intensität den ganzen Kopf.

Diese Übung aktiviert die Zirkulation sämtlicher Yang Meridiane und befeuert den Energiekreislauf.

  1. Die Ohrübung

Zuerst werden die Daumenballen beidseitig auf die Mitte des Ohres gelegt und die Ohren kreisend nach allen Richtungen massiert, bis sie warm werden.

Dann werden die Ohrmuscheln mit den Handinnenflächen nach vorne geklappt und wie in einer Muschel in den hohlen Händen so abgeschlossen, dass sich die Fingerspitzen am Hinterkopf berühren. Dann drückt man mit den Zeigefingern so fest auf die Mittelfinger, dass sie von dort abrutschen und gegen den Hinterkopf klopfen. Das ruft in den Ohren einen Ton ähnlich Trommelschlägen hervor. Das soll 36 mal wiederholt werden. Das wird von Alters her als „Himmels-trommeln“ bezeichnet.

Dann klopft man seitlich mit dem lockeren Zeigefinger der flach geführten Hand auf den gegenüberliegenden, das Ohr abdeckenden Handrücken. Im Ohr hört man dann einen helleren Ton, der als „Himmelsglocken“ bezeichnet wird. Ebenfalls 36 mal in schnellerem Takt.

Dann steckt man den Zeigefinger in den Gehörgang und zieht ihn mit einem leichten Blob-Geräusch wieder heraus. Drei mal links und rechts und zieht danach an den Ohrläppchen nach unten.

Mit wiederholter Übung können Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Ohren-sausen und Tinnitus geheilt werden. Auch beginnende Schwerhörigkeit kann damit beseitigt werden.

Nach Krasnoselski hat diese Übung eine die Gehirnrinde anregende Wirkung. Dadurch werden die
Funktionen des Herzens und der Atmung verbessert. Die Massage der Ohrmuscheln regt die Hörnerven an, wodurch die Intensität des Hörens verstärkt wird.

Anschließen werden die Ohrläppchen massiert, geknetet und mit den Fingernägeln zusammengekniffen, wodurch Ohrakupunkturpunkte von Augen, Nase, Kieferhöhle und der Bereich Zunge aktiviert werden.

In der Ohrakupunktur spiegelt das Ohr den am Kopf stehenden Embryo und der ganze Körper kann über die am Ohr befindlichen Akupunkturpunkte therapiert werden.

  1. Die Halsübung
Die ineinander verschränkten Hände werden in den Nacken gelegt und während man nach oben schaut, drückt man mit den Händen 9 mal auf Nacken und Hinterkopf. Damit können Schmerzen in der Halsmuskulatur und Flimmern der Augen beseitigt werden.

  1. Das Schulterreiben

Mit der linken Hand reibt und knetet man die rechte Schulter und mit der rechten die linke Schulter. Beliebig oft, mindestens aber 18 mal. Die Übung lindert rheumatische Gelenkschmerzen.

  1. Das Nierenreiben

Man reibt die Handflächen aneinander, bis sie warm werden und reibt mit einer Hand von oben nach unten über die Niere und mit der anderen Hand in der Gegenrichtung die andere Niere. Mindestens 18 mal mit jeder Hand. Das hilft gegen Kreuzschmerzen und Frauen bei Schmerzen in der Hüftgegend während der Menstruation.

  1. Die Steißwirbelmassage

Diese Massage wird wie das Nierenreiben, aber dichter an der Wirbelsäule durchgeführt, indem man Zeigefinger und Mittelfinger zusammen nimmt, und mit den anderen Fingern eine lockere Faust macht, wobei Zeige- und Mittelfinger nach unten schräg zur Wirbelsäule zeigen. Mindestens 18 mal gemacht, hilft das nicht nur bei Kreuzschmerzen, sondern auch vorbeugend gegen das Entstehen von Hämorrhoiden.

  1. Die Massage des Dant'ien

Man reibt die Hände aneinander warm legt sie mit dem „Lao Gong Punkten“ (Mitte der Handfläche) übereinander auf das Dant'ien (etwa 4 Finger unter dem Nabe) und massiert in größer werdenden Kreisen im Uhrzeigersinn mindestens 36 mal den Unterbauch. Anschließend mit kleiner werdenden Kreisen 36 mal gegen den Uhrzeigersinn zurück. Es soll nicht über Nabel und Geschlechtsteil hinaus massiert werden.
Neben der Anregung der Peristaltig dient diese Massage auch der Beseitigung von Impotenz und vorzeitigem Samenergusses. In diesem Fall wird empfohlen, mit einer Hand 100 Kreise in jede Richtung zu machen und mit der anderen freien Hand den Hodensack zu halten.

  1. Die Organmassage

Nach der Dant'ien Massage wandern die Hände hoch zur Leber und die Lebergegend wird 18 mal kreisförmig im Uhrzeigersinn massiert und 18 mal entgegen massiert.
Dann massiert man in gleicher Weise Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse,

    dann das Herz,
    dann die Lunge im Oberen Brustbereich unter dem Schlüsselbein,
          dann das Herznest (Mitte Brustbein) als Sitz des emotionalen Herzens.

  1. Das Reiben des „Großen Hammers“ (Dazhui)
Dazhui“, auch „Halswirbelpunkt“ oder „Großer Hammer“ genannt, liegt am „Du Mai“ (Lenkergefäß)
im Bereich 7. Halswirbel und 1. Brustwirbel. Zieht man das Kinn zur Brust, so ist der 7. Halswirbel jener, der am weitesten herausragt.

Hier liegt der Schnittpunkt aller Yang Meridiane mit dem Yang-Gefäß Du Mai, das alle Yang Meridiane regiert. Hier entscheidet sich auch, ob das Yang stark genug ist, diesen Pass zu überwinden und seinen Weg hinauf in den Kopf zum „Bai Hui“ (Mitte Schädeldecke) fortzusetzen, um von dort den Weg des „Kleinen Himmlischen Kreislaufs“ über die Stirn und Nase hinunter zur Oberlippe und zum Zahnfleischpunkt über den Schneidezähnen zu nehmen.

Ist der Bereich „Dazhui“ – „Jadekissen“ blockiert, beginnt die frühzeitige Alterung. Das Gesicht wird fahl, es bilden sich Falten und die Haare ergrauen und fallen genauso wie die Zähne aus. Die Lebenskraft verwelkt frühzeitig.

Der Bereich "Dazhui" ist von großer Bedeutung als Sammelplatz des Wei Qi (Abwehr Qi).  
Von hier  aus beginnt der Wei Qi Zyklus seine 25 Umläufe an der Körperoberfläche, um den Körper vor dem Eindringen äußerer Pathogener Faktoren zu schützen. 

Unsere Immunabwehr wird durch diese Übung stark tonisiert.

  1. Die Energiebahnen abklopfen.
    Der ganze Körper wird mit den flachen Händen abgeklopft.
Man klopft mit der rechten Hand in Bahnen der linken Körperseite über den Handrücken und Armoberseite bis zur Schulter und dann über die Armrückseite und dann über die Armvorderseite des anderen Armes hoch zur Schulter und immer auf der Innenseite hinunter zur Hand. Es sollte der gesamte Arm gründlich geklopft werden, bis man den Arm wechselt uns die linke Körperseite abklopft.. Auch hier gilt es, an der Armoberseite und -Rückseite und -Vorderseite Richtung Kopf zu klopfen und Arminnenseite hinunter bis über die Hände.

Dann klopft man den Oberkörper auf allen Seiten mit beiden Händen beliebig fest und gründlich.

Hüfte, Hinterteil fest klopfen und die Bein werden vorne, seitlich und hinten von oben nach unten fest geklopft, und immer führt der Weg zurück klopfend auf der Beininnenseite nach oben zur Hüfte.

Anschließend reibt man mit der Handfläche den Handrücken der jeweils anderen Hand ganz fest und klatscht zum Abschluß 3 mal fest in die Hände.


© 2011Copyright: Dr. Reinhard Hörmann



































Montag, 1. August 2011

Das „Innere Stärkende Qi Gong“ ("Ch'iang-chuang-kung")

Das „Innere Stärkende Qi Gong“ ist, wie das „Innere Nährende Qi Ging“, eine Form des „Stillen Qi Gong“ „(„Jing Gong“).
Es besteht aus Übungen in Ruhe, die im Liegen, Sitzen oder Stehen ausgeführt werden.

Nach außen hin herrscht zwar Ruhe vor, im Inneren widmet sich der Übende jedoch ganz der Bewegung des Qi Flusses.

Allen Übungen des Stillen Qi Gong ist gemeinsam, dass zunächst die Entspannung von Muskeln, Sehnen, Gelenken und Bändern herbeigeführt wird, der innere Ruhe und Stille folgt.

Der Zusammenhang von körperlicher Entspannung mit der dazu korrespondierenden Entspannung der Großhirnrinde und „vice versa“ wurde in diesem Blog schon vielfach erwähnt.

Wichtig ist vor allem die Bereitschaft des Übenden, sämtliche störende Gedanken abzulegen.

Nach der Übung ist genug Zeit, sich diesen Gedanken zu widmen. Die Chinesen sagen, störende Gedanken sind vor der Übung abzulegen wie die störenden Habseligkeiten ( wie zum Beispiel Gürtel, Portmonee, Uhr, Handy, enge Kleidung etc. ).

Gelingt es, äußere Entspannung und Innere Stille herzustellen, folgen die Übungen, bei denen die Aufmerksamkeit („Yi“) auf die Atmung gerichtet wird.

Wenn die Atmung von selbst in gewünschter Weise fließt, richtet man die Aufmerksamkeit auf das „Untere Dant'ien“. In der Vorstellung wird der Atem ganz tief in den Unterbauch in das Dant'ien gelenkt.

Es ist eine Erfahrungstatsache, dass das Qi dem Geist (der Vorstellung) folgt.

Daher vereinen wir durch unsere Vorstellung den nach unten gelenkten Atem mit Geist (Shen) und Qi im Unteren Dant'ien.

Die Vorstellung („Yi“) ist ein Aspekt von „Shen“ (Geist).


Alle Übungssysteme des Stillen Qi Gong sind grundsätzlich in drei Stufen aufgebaut:


Die erste Stufe ist äußere Entspannung und Innere Stille,

die in der zweiten Stufe mit konzentrierten Atemübungen weitergeführt wird.

Die dritte und höchste Stufe ist die Stufe der Meister:

Es ist die Stufe des Wu Wei, des „Tun im Nichtstun“, das ist höchste Harmonie und Leere, ein Zustand, in dem der Körper mit Umwelt und Kosmos eins ist, ruhig und leicht, ohne Form, ohne Polarität, ohne Täuschung des Selbst, das Qi der Natur wird vom Geist aufgenommen, der ganze Körper atmet durch die Poren.

Die „Inneren Übungen“ des Stillen Qi Gong bestehen der historischen Entwicklung nach aus den „Inneren Stärkenden Übungen“ („Ch'iang Chuang Gong“), die ihrem älteren Ursprung nach eng mit der daoistischen Tradition verbunden sind

und den später entstandenen „Inneren Nährenden Übungen“ („Nei Yang Gong“), die von dem Arzt Liu Kui-chen 1957 in einem Buch einer interessierten Öffentlichkeit zugängig gemacht wurde und wegen der nachgewiesenen Heil-Erfolge in den Sanatorien Chinas weltweit breite wissenschaftliche Anerkennung fanden. Darüber wurde in diesem Blog schon ausführlich in den Posts über „Inneres Nährendes Qi Gong“ geschrieben.


Die „Inneren Stärkenden Übungen“:


Die Körperposition ist frei wählbar, wobei bei den Sitzpositionen der Lotussitz (beide Fußrücken liegen auf den Oberschenkeln) oder der Halblotussitz (der linke Fuß liegt unter dem Körper, der rechte liegt auf dem linken Oberschenkel) bevorzugt werden.

Ist das nicht möglich, kann auch auf einem Schemel oder Hocker ohne Lehne gesessen werden.

Der Nacken ist dabei entspannt, die Schultern und Arme hängen locker, das Kinn ist leicht angezogen, die Hände liegen mit den Handflächen nach oben ineinander im Schoß, die Wirbelsäule ist aufgerichtet, die Wirbel liegen wie Scheiben aufeinander und der Kopf sitzt so auf der Wirbelsäule, dass der Bai Hui (Scheitelpunkt Mitte Schädeldecke) senkrecht über dem Bai Hui (Mitte Perineum) liegt, die Augen sind halb offen, der Blick ist nach innen gerichtet.

Bei Übungen morgens oder abends wird die stehende Position empfohlen. Wenn möglich soll in der Natur, in gesunder Umgebung mit viel frischer Luft an einem von Zugluft geschützten Ort geübt werden.

Dabei wird die übliche Stehposition eingenommen. Beine schulterbreit auseinander, Kopf leicht nach vorne geneigt, Kinn leicht angezogen, Kopf und Nacken entspannt, die Schultern hängen locker und sind leicht nach vorne gezogen, der Rücken wird dadurch breit und die Brust nicht hinausgestreckt. Die Arme sind locker in einem solchen Abstand vom Körper, dass in den Achselhöhlen ein Tischtennisball Platz hätte. Die Hände werden vor dem Unterbauch leicht angehoben so gehalten, dass die Finger voneinander einen Abstand von einigen Zentimetern haben, wie wenn man einen leichten Ball vor dem Dant'ien halten würde.

Diese tiefe Handhaltung empfiehlt sich für Übende mit erhöhtem Blutdruck.

Bei normalem Blutdruck werden die Hände leicht vor der Brust so gehalten, als wenn man einen großen Ball sanft zur Brust drücken wollte.

Personen mit zu niedrigem Blutdruck heben die Hände in dieser stehenden Stellung bis in Schulterhöhe.

Die Haltung soll jedenfalls locker sein, der leicht nach vorne geneigte Kopf soll wie am Scheitelpunkt (Bai Hui) auf einem Seidenfaden aufgehängt sein, wobei die einzelnen Wirbel der Wirbelsäule bis zum Steißbein einer nach unten hängenden Perlenschnur gleichen.

Das Becken wird leicht nach vorne gekippt, wie in der Anfagsbewegung des Niedersetzens.

Es wird eine Position eingenommen, die das Gegenteil eines Hohlkreuzes darstellt.


Die Entspannung:

Die Augen liegen entspannt in den Höhlen und sind halboffen, der Blick ist leer bzw. nach innen gerichtet.
Nach dem Einnehmen dieser Körperhaltung atmen wir in unserem Atemrhythmus einige Minuten weiter.


Wir beginnen, den Körper und den Geist bewusst zu lockern, indem die Luft durch den Mund ausgeatmet (hinaus geblasen) und gleichzeitig Kopf- und Nackenmuskulatur bewusst entspannt wird.

Beim Hinaus-blasen der Luft durch den Mund denken wir „entspannen“, „Ruhe“ oder „locker“.

Sind Kopf und Nacken entspannt, folgen einige ruhige Atemzüge durch die Nase , dann bläst man wieder die Luft durch den Mund hinaus, entspannt gleichzeitig die Schultern und die Armmuskulatur und denkt wieder dabei die gleiche vorher gewählte Affirmation.
In gleicher Weise geht man vor bei Brust und oberem Rücken bis zum Gürtel, Unterbauch und unterem Rücken,
dann Oberschenkel und letztlich Unterschenkel mit den Füßen.
Die Atemmethoden des Innere Stärkenden Qi Gong:
  1. Die alltägliche Atemmethode:
Es wird durch die Nase entspannt und sanft ein- und ausgeatmet. Das Ein- und Ausatmen fließt natürlich und ist gleich lang.

Im Gegensatz zum „Inneren Nährenden Qi Gong“ wird KEINE Atempause gemacht.

Die Zunge liegt hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumenbogen und bleibt dort unverändert während der ganzen Übungsdauer.

Der Atem wird während des Übens immer ruhiger und tiefer, wird langsamer und fließt ohne jede Kraftanstrengung.

Sobald der Atem wie von selbst fließt, vergisst man den Atem und richtet seine Aufmerksamkeit auf das Untere Dant'ien.

Diese Methode ist wegen der geringen Anforderungen besonders für Anfänger geeignet, weil der Atem nur sanft und ruhig sein muss.

Diese Atmungsform ist kräftigend, harmonisiert Yin und Yang und beruhigt den Gesamtorganismus.

  1. Die Methode der tiefen Atmung:
Diese Atmung soll langsam, lang, sanft und tief sein. Die Zunge liegt und bleibt während der gesamten Übung hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumenbogen.

Der Übergang zwischen Ein- und Ausatmung soll rund und unmerklich sein, gleich einer sanften Welle, die sich aufbaut und wieder abflacht, rhythmisch, ohne Pause. Man stelle sich einen Seidenfaden vor, der sanft und langsam nach vorne und zurück gezogen wird, kontinuierlich und rund, um ja nicht zu reißen.

Die Atmung erfolgt ausschließlich durch die Nase tief in den Unterbauch. Ziel ist, dass die sanfte und tiefe Bauchatmung reflektorisch wird.

Diese Atmung reguliert den Blutdruckdruck, hilft Neurasthenikern (Menschen mit Neigung zur Störung im vegetativen Nervensystem) und schafft Abhilfe bei Verdauungsstörungen.
  1. Die Methode des umgekehrten (paradoxen) Atmens:
Bei dieser Atemmethode wird beim Einatmen der Bauch leicht eingezogen und das Perineum sanft angespannt. Der Brustkorb wird beim Einatmen natürlich ausgedehnt. Die Zunge liegt und bleibt während der ganzen Übung hinter den oberen Schneidezähnen am Gaumenbogen. Die Atmung erfolgt durch die Nase, ohne jede Atempause. Bei der Ausatmung dehnt sich der Bauch locker aus und der Brustkorb bleibt völlig entspannt. Die Atmung muss ohne jede Kraftanstrengung, leicht, locker und ruhig, das heißt ohne Hast und Eile sein.


Wichtig für die Inneren Stärkenden Übungen:

Die Alltägliche Atmung kann auch vor und nach dem Essen geübt werden.

Bei Gewitter und Unwetter soll überhaupt nicht Qi Gong geübt werden.

Die Dauer der Atemübung sollte anfangs 10 Minuten, später bis 20 Minuten betragen

Die Bauchatmung soll weder mit leerem Magen noch mit innerhalb einer Stunde nach dem Essen durchgeführt werden.

Die Paradoxe Atmung darf niemals mit vollem Magen durchgeführt werden.

Wenn sich beim Üben vermehrter Speichelfluss einstellt, soll der Speichel keinesfalls ausgespuckt, sondern im Mund gesammelt werden. Dieser angesammelte Speichel wird bei den Daoisten auch „Honigtau“ oder „Wein des langen Lebens genannt“. Auch in der Meditation wird die aufsteigende Energie in speichelartigen Nektar verwandelt und soll in kleinen Schlucken wieder in den Unterleib zurückfließen. Im I Ging heißt es: „So isst und trinkt der Edle“! Das in Speichel verwandelte Qi soll durch die Kehle ins Untere Dant'ien zurückfließen.

Sobald der Atem von selbst in gewünschter Weise fließt, wechselt die Aufmerksamkeit zum Unteren Dant'ien.

Bei den Übungen nimmt man den Körper als unbeteiligter Beobachter wahr, teilnahmslos, ohne zu werten. Sollten im Du Mai (Lenker Gefäß) entlang der Wirbelsäule , im Ren Mai (Diener Gefäß) in der Mitte des vorderen Oberkörpers oder im Dai Mai (Gürtel Gefäß) entlang der Gürtellinie Wärmegefühle auftreten, so ist das nicht zu bewerten. Das ist normal, wenn es kommt und normal, wenn es nicht kommt. Auf den Erfolg der Übungen hat dieses Wärme - Symptom keinen Einfluss. Eventuell auftretender Juckreiz vergeht von selbst und ist nicht zu beachten. Keinesfalls kratzen!

 
Es gibt viele Beweise in Studien für die heilende Wirkung der „Inneren Nährenden Übungen“ und der „Inneren Stärkenden Übungen“ bei Neurasthenie, Blutdruckproblemen, Krankheiten des Verdauungsapparates, Magengeschwüren oder Magensenkung.

Nachgewiesen ist auch die positive Wirkung von beiden Übungssystemen auf die Beruhigung des Gesamtorganismus und des ganzen Nervensystems.

Es ist also Tatsache, dass wir hier zwei Methoden haben, die nachweislich mit großen Heilerfolgen eingesetzt wurden und werden. Viele chinesische Ärzte betrachten beide Übungssysteme als zusammenhängende Methode und nutzen beide, wobei zu der völligen  Wiederherstellung der Gesundheit meist die "Inneren Nährenden Übungen" und zur Vorbeugung gegen Krankheiten die "Inneren Stärkenden Übungen" bevorzugt werden.
Vielleicht sollte man beide Methoden ausprobieren und letztlich die Methode wählen, wo man sich wohler fühlt.
Meiner Erfahrung nach ist beim Qi Gong die Übungsmethode nicht so entscheidend wie die lockere mentale Einstellung und die Fähigkeit, störende Gedanken abzulegen und seine Gedanken und Aufmerksamkeit auf „EINES“ (einspitzig aufs Atmen bzw Dant'ien) zu richten .

Besonders bedeutend ist, dass durch ständiges Üben und Wiederholen der Reflexautomatismus entwickelt wird und dass die Übungen in vollständiger innerer Harmonie abgeschlossen werden und in den Zustand der passiven Ruhe führen. Nur in diesem Zustand können die natürliche Selbstheilkräfte des Körpers zur Wirkung kommen. Die passive Ruhe ist das Yin, das für die Wirksamkeit der Übungen (Yang) erforderlich ist.



©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann