Mittwoch, 4. Mai 2011

Die Energieleitbahnen im menschlichen Körper

Schon Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung kannten die alten Chinesen das feinstoffliche Energiesystem des menschlichen Körpers. Bereits in der Steinzeit wurden spitze Steine zur Akupressur an bestimmten Körperstellen eingesetzt, um Schmerzen zu lindern und den Allgemeinzustand zu verbessern. Diese Steinwerkzeuge dienten später auch als Akupunkturnadeln und mit der Entdeckung des Feuers fand man heraus, dass bestimmte Schmerzen durch Einwirkung von Hitze verschwanden oder gelindert wurde, was zur Entwicklung der Moxibustion (Wärmebehandlung mit glühenden pflanzlichen Materialien) führte.

Im laufe der Zeit wurden aus Stein- Knochen- und Bambus-Nadeln schon im 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung Metallnadeln.

Im Klassiker der chinesischen Medizin „Huangdi Nei Jing“, der 1. Teil , das „Huangdi Nei Jing Su Wen“ stammt aus ca. 2600 v. Chr., wurde der damalige Wissenstand der chinesischen Medizin über die Funktion und Krankheiten der Meridiane und über die Akupunkturpunkte niedergeschrieben und ist noch heute von grundlegender Bedeutung für die Ausbildung chinesischer Mediziner.

Das System der Leitbahnen besteht aus 12 (spiegelbildlich auf der linken und rechten Körperseite befindlichen ) „Meridianen“, aus 8 „Gefäßen“ (auch als „Wundermeridiane“ bekannt) und aus
15 sogenannten „Kollateralen“ .

Diese Leitbahnen sind sowohl an der Körperoberfläche als auch im Körperinneren vorhanden und verbinden die inneren Organe mit den Strukturen und Geweben des Körpers.

In diesem Netzwerk von Energiebahnen verbinden die Meridiane die inneren Organe untereinander und auch die Organe mit der Körperoberfläche, während die kleinen Verzweigungen der Meridiane, die sogenannten Kollateralen, die Meridiane untereinander und die Meridiane mit den äußeren Körperschichten verbinden.

Die 8 „Gefäße“ oder „Wundermeridiane“ (sie haben im Gegensatz zu den Meridianen kein Spiegelbild) verbinden die 12 Meridiane und regulieren dort den Fluss von Qi und Blut. Sie dienen als Energiereservoir der jeweils mit ihnen verbundenen Meridiane und sind in ihrer Funktion vergleichbar mit den Überfluss und Speicherbecken in unseren Wassersystemen. Sie leiten also Überschussenergie (Blut und Qi) ab und speisen bei Bedarf wieder ein.

Sie sind, wie im Post über vorgeburtliches Qi beschrieben (das „Qi des früheren Himmels“) mit den Nieren und dem dort gespeicherten Yuan Qi verbunden und lassen das vorgeburtliche Qi bei Bedarf im Körper zirkulieren. Sie stellen über die Hauptmeridiane eine Verbindung zwischen dem„vorgeburtlichen“ und „nachgeburtlichen“ Qi her.

Auf diesen Leitbahnen liegen an der Körperoberfläche klar definierte Stellen (Akupunkturpunkte), an denen durch Druck (Akupressur) oder Nadeln (Akupunktur) oder Moxibustion (Hitze) zum Aktivieren der Meridiane oder zur Behandlung von Krankheitssymptomen Reize gesetzt werden können.

Hierzu kommen noch Akupunktur-Punkte, die ganz allgemein der Stärkung von KörperGeistSeele dienen.

Qi bewegt sich im 24- Stunden-Takt wellenförmig kreisend durch den Körper und versorgt auch die entferntesten Körperzellen. Wird Qi blockiert oder der Qi-fluß behindert, so führt schon der kleinste Stau zu einem Energieungleichgewicht, der auch an scheinbar unbeteiligten Stellen des Körpers Krankheiten auslösen kann.

Krankheiten ihrerseits bewirken, dass der Körper an anderen Stellen Qi abzieht, um die kranken Körperstellen oder Organe bzw. Funktionskreise mit Qi zu versorgen. Das kann wiederum neue Probleme im Energiefluss hervorrufen und mehr und mehr zu einer Schwächung des Immunsystems (Abwehrqi [WEIQI]) führen. Setzt sich das fort, so ist zu befürchten, dass das zu einer Lawine von Krankheitssymptomen führt. Daher gilt nach der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) jede Krankheit als Symptom eines energetischen Ungleichgewichts.

Die Energiebahnen im Überblick:

Wir haben spiegelbildlich auf jeder Körperseite 6 Meridiane „der Hand“ und 6 Meridiane des „Fußes“. Diese Meridiane gelten symmetrisch für beide Körperseiten und sind in der Therapie beliebig wählbar und auch austauschbar.

Die Meridiane tragen die Namen der Organe, denen sie zugeordnet sind und haben deren Yin- oder Yang-Aspekt.

6 Organe inklusive dazugehörige Meridiane sind Yin, weil sie das Qi speichern , es sind dies die vollen Organe (Zang).

Die 6 anderen Organe inklusive dazugehörige Meridiane sind Yang, das sind die hohlen Organe (Fu), die Qi produzieren.

Jeder der 12 Meridiane hat äußere, unter der Haut liegende Verläufe und innere, durch das Körperinnere fließende Verläufe.

ACHTUNG: Wir sprechen hier von Organen im Sinne der TCM, nicht im Sinne der westlichen Schulmedizin.

Wie schon oft in diesem Blog betont, hat die TCM das daoistische Menschenbild übernommen. Der Mensch wird als lebende, untrennbare Einheit von Körper, Seele und Geist definiert.

In der westlichen Medizin wird der menschliche Körper nach dem mechanischen Weltbild Newtons in seine Einzelteile zerlegt, jedes Organ wird als funktionelle Einheit betrachtet.

In der TCM bedeutet Organ einen Funktionskreis, ein komplexes System von Emotion, Gewebe, Sinnesorgan, Geschmack usw. Das chinesische Diagnosesystem erfasst außen-innen, heiß-kalt,
Leer – Fülle, Yin – Yang und kann Störungen schon zuordnen und therapieren, wenn die westliche Medizin noch von psychosomatischen Störungen ausgeht und nicht therapiert, weil eben noch keine klinischen Störungen manifestiert sind. Hier soll natürlich nicht abgewogen und bewertet werden, man denke nur an die schuldmedizinischen Erfolge bei epidemischen Erkrankungen, in der Transplantationsmedizin, Chirurgie usw. Beide Systeme haben ihre Stärken und sollten nicht alternativ sondern komplementär (also einander ergänzend) eingesetzt werden.

6 Organe mit Yin-Aspekt , Zang, sind: Lunge – Herz – Milz – Nieren – Leber.
Dazu kommt als verbindender Funktionskreis (Organ) der Herzbeutel oder Perikard, als Meridian KS, Kreislauf – Sexus genannt.( Bezeichnung nach einem Teil seiner Funktionen.

6 Organe mit Yang-Aspekt, Fu , sind: Dickdarm - Dünndarm - Magen - Blase – Gallenblase.
Dazu kommt der Meridian „Dreifacher Erwärmer“, dem als eigener Funktionskreis Organeigenschaft zugeordnet wird, weil er wesentliche Verteilungsfunktion für das Wahre Qi
(Zhen Qi) im ganzen Körper hat. Dreifach deshalb, weil er sich in drei Äste aufteilt. Ein Ast führt in die Atmung, einer in die Verdauung und einer in die Ausscheidung.

Die Yin- und Yang-Meridiane sind über Seitenäste paarweise gekoppelt .

Die Yin-Meridiane der Hand (Lunge – Herz – Perikard) verlaufen von der Brust auf der Arm Innenseite zu den Fingerspitzen.

Die Yang-Meridiane der Hand (Dickdarm – Dünndarm – Dreifacher Erwärmer) verlaufen von den Fingerspitzen auf der Arm Außenseite zum Kopf.


Die Yang Meridiane des Fußes verlaufen:

Magen vom Kopf über Körpervorderseite zu den Zehen
Blase von Kopf über Körperrückseite zu den Zehen
Gallenblase vom Kopf an der Körperseite zu den Zehen

Die Yin Meridiane des Fußes verlaufen:

Milz von den Zehen auf der Innenseite der Bein hoch zur Brust
Niere vom Punkt sprudelnde Quelle an der Fußsohle (zwischen ersten und zweiten Drittel der Fußsohle in der Mitte gelegen) Innenseite der Beine hoch zu Brust
Leber von den Zehen Innenseite der Beine hoch zur Brust.

Der Kreislauf funktioniert in folgender Reihenfolge und Flussrichtung (angeführt sind auch die Zeiten der Hauptaktivität der Funktionskreise):

Lungen-Meridian der Hand (Yin) 3h – 5h
Dickdarm -Meridian der Hand (Yang) 5h – 7h

Magen-Meridian des Fußes (Yang) 7h – 9 h
Milz-Meridian des Fußes (Yin) 9h – 11h

Herz-Meridian der Hand (Yin) 11h – 13h
Dünndarm -Meridian der Hand (Yang) 13h – 15h

Blasen-Meridian des Fußes (Yang) 15h – 17h
Nieren-Meridian des Fußes (Yin) 17h – 19h

Perikard-Meridian der Hand (Yin) 19h – 21h
Dreifacher Erwärmer-Meridian der Hand (Yang) 21h – 23h

Gallenblasen-Meridian des Fußes (Yang) 23h – 1h
Leber-Meridian des Fußes (Yin) 1h – 3h

Qi zirkuliert in diesem großen Kreislauf ständig in unserem Körper, ist aber zu den oben angegebenen Zeiten jeweils in diesen 2 Stunden am stärksten in dem jeweiligen inneren Organ und im dazugehörigen Meridian aktiv. Während der 2-stündigen Hauptaktivität eines Organs/Meridians finden 4 Umläufe durch alle Organe/Meridiane statt.


Zusammenfassend startet das Qi den Kreislauf im Brustbereich und fließt an den Innenseiten der Arme bis zu den Fingern. Im Bereich der Fingerkuppen strömt das Qi aus den Handflächen auf die obere Seite und dort auf der Außenfläche der Arme über den Schulterbereich zum Kopf.

Vom Kopfbereich breitet sich die Energie über Rücken oder über die Flanken an der Außenseite beziehungsweise über den Rückseite der Beine und über die Fußrücken zu den Zehen aus.

Von den Zehenspitzen läuft die Energie über die Fußinnenseite, die Innenseiten der Beine über den Bauch zur Brust zurück.

An den Innenseiten (Von der Brust über Arm-Innenseite, Hand-Innenflächen zu den Fingern und von der Fuß-Innenseite, über Bein-Innenseite und Bauch zur Brust) verlaufen die Yin-Leitbahnen.

Alle Leitbahnen an den Außenseiten sind die Yang-Leitbahnen.
Also von der Brust zur Hand verläuft Yin (Innenseite)
Von der Hand zum Kopf verläuft Yang (Außenseite)
Vom Kopf zum Fuß verläuft Yang (Außenseite)
Vom Fuß zur Brust verläuft Yin (Innenseite)






©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen