Sonntag, 15. Mai 2011

Das Sammeln, Lenken und Vermehren des Qi

Das wesentliche Merkmal von Qi Gong ist die Synchronisation von „Inneren und Äußeren Abläufen“, also die Regulierung von Geist, Atmung und Körper (Bewegung). Es geht beim Qi Gong darum, das Qi in den Meridianen zum Fließen zu bringen und Yin und Yang auszugleichen. Es wird beabsichtigt, „Jing“, „Qi“ und „Shen“ zu nähren und zu vermehren.

In der daoistische Tradition dient die „Innere Kampfkunst“ der geistig-spirituellen Entwicklung zum „Wahren Menschen“. Das ist ein Mensch, der mit der Natur in Einklang lebt und die ursprüngliche Natürlichkeit wieder erlangt. Er übt die Kunst der Verlängerung des Lebens, um die ihm durch das „Vorgeburtliche Qi“ gegebene Lebensspanne voll ausschöpfen zu können und nicht durch falsche Lebensweise zu verkürzen. Der Körper (als Einheit mit GeistSeele) ist für die Daoisten der Quell für die geistig-spirituelle Entwicklung, um sich auf höherer Stufe der Kultivierung des Dao zu widmen.

Bei allen Stufen der Übungen der „Inneren Kampfkunst“ steht die Kultivierung des Dao im Vordergrund. Gesundheit, langes Leben und die Förderung ungewöhnlicher geistiger und körperlicher Fähigkeiten sind normale Begleitumstände auf diesem Weg, nicht aber das angestrebte Ziel.

Ihr ureigenste daoistische Anforderung lautet: „Rette dich selbst, dann hilf anderen, sich selbst zu retten und verhilf schließlich der Menschheit, sich selbst zu retten“.

Dieser Tradition entsprechend wurden viele Jahrhunderte das Wissen um das Sammeln, Entwickeln und Lenken von „Innerem und Äußerem Qi“ von Generation zu Generation weitergegeben.

Das Üben mit „Innerem Qi“ (Nei Qi) betrifft sogenannte geschlossene Übungen („Nei Gong“), bei denen ausschließlich mit dem körpereigenen Qi gearbeitet wird. Das sind die Übungen, die das Dant'ien und dem Qi Kreislauf betreffen.

Bei den sogenannten offenen Übungen bezieht man das Qi aus der Umgebung mit ein.

Das Sammeln und Lenken des Qi:

Das Sammeln und das Lenken von Qi durch die Vorstellung und Aufmerksamkeit (Yi) ist das Wichtigste und Essentiellste im Qi Gong. Die Kenntnisse von Qi und seinen Eigenschaften und Strömungstendenzen und der Einsatz der Vorstellung machen erst das Wesen des Qi Gong aus und grenzen es von anderen körperlichen Disziplinen wie etwa Sport und Bewegungsübungen ab.

Für das Sammeln des Qi gibt es 2 Quellen:

Das Qi im Körper
Das Qi in der Umgebung außerhalb des Körpers

Man nimmt das Qi beim Einatmen aus der Umgebung außerhalb des Körpers auf und führt es in der Vorstellung in das Untere Dant'ien. Genauso sammelt man beim Einatmen durch Vorstellung das körpereigene Qi im Unteren Dant'ien. Das nennt man „das Sammeln von Qi“. Es ist immer mit Einatmen verbunden.
Im daoistischen Qi Gong übt man sich immerwährend in der Vorstellung, Qi im Dant'ien im Unterbauch aufzunehmen und zu sammeln. Egal ob man geht, steht, sitzt oder liegt, wird diese Vorstellung geübt, bis diese Vorstellung für den Übenden Realität wird. Das innere Bild des Übenden und die tatsächliche Qi Situation gleichen sich immer mehr an und es kann geschehen, dass sich mit zunehmender Übung das innere Bild der Vorstellung aufgrund der tatsächlichen differenzierten Wahrnehmung ändert. Durch das dauernde Üben, durch dauerndes Tun, kommt es zu einem Gewahrwerden der Realität des Qi und seiner realen Situation im Körper.

Das Verhalten und Strömungstendenzen von Qi:

Einatmen ist immer Sammeln von Qi, Ausatmen ist Loslassen.
Einatmen ist ruhig, man atmet Ruhe ein, Ausatmen ist locker, man entspannt bei der Ausatmung.

Bei den Qi Kreisläufen gibt es viele Versionen. Beim „Kleinen Himmlischen Kreislauf“ gibt es zwei daoistische Schulen, eine führt das Qi über Hui Yin, Du Mai, zum Bai Hui an de Schädeldecke und Ren Mai hinunter und die andere Schule lehrt eine kleinere Version, bei der die Gegend des Herzens mit der der Niere verbunden wird.

Bei Großen Kreislauf gibt viele Versionen. Wenn man durch ständiges Üben ein verfeinertes Körpergefühl entwickelt hat, sollte es bei entsprechende Achtsamkeit möglich sein, dass man die für sich die angenehmste Variante findet.

Wir alle haben die Erfahrung, dass wir am besten ausatmen, wenn wir etwas Schweres heben. Wenn man etwas wegstößt, atmet man aus. Ein Boxer atmet beim Faust-Schlag ebenfalls aus. Atmet man aber im Gegensatz dazu ein, merkt man sofort, dass da etwas nicht stimmen kann und der Bewegungsablauf gestört und nicht explosiv ist.

Mit dem Üben von Qi Gong entsteht im ständigen Tun die nötige Erfahrung und Sensibilisierung unserer Wahrnehmung des Qi in unseren Leitbahnen und Gefäßen. Wir fühlen dann, was angenehm ist, wie das Qi beim Atmen oder bei Körperbewegungen fließt und wie es unserer Vorstellung folgt. Wir spüren auch die Blockaden, wenn das Qi nicht fließt und anfängt zu stocken. Je mehr wir üben, desto sicherer werden wir in der Lage sein, das Qi entsprechend seiner Strömungstendenzen zu lenken.

Der natürlich Qi Fluss beim Qi Gong:

  • An der Vorderseite von Körper und Beinen fließt das Qi beim Ausatmen nach unten.
  • An der Hinterseite von Körper und Beinen fließt das Qi beim Einatmen nach oben.
  • An der Innenseite der Arme fließt das Qi beim Ausatmen vom Körper zur Hand.
  • An der Außenseite der Arme fließt das Qi beim Einatmen von der Hand zum Kopf.
  • In der Körper-Mitte vorne fließt das Qi beim Ausatmen nach unten.
  • An der Körper-Seite fließt das Qi beim Einatmen nach oben.


Die begleitende Vorstellung (Yi):


Wenn man einatmet, stellt man sich vor, dass man Qi aufnimmt.

Wenn man ausatmet, stellt man sich vor, dass man Qi abgibt oder im Körper zu gewissen Regionen oder Bereichen lenkt oder das Qi abgibt oder zu bestimmten Punkten hinleitet.

Atmet man ein, stellt man sich vor, dass etwas (z.B. das Dant'ien) größer wird, sich ausweitet und zunimmt. Beim Einatmen kommt es zur Zunahme.

Atmet man aus, stellt man sich das Gegenteil vor, etwas wird also kleiner und nimmt ab. Beim Ausatmen kommt es zur Abnahme.

Nach oben bedeutet zunehmen, nach unten bedeutet Abnehmen

Nach Innen bedeutet zunehmen, nach außen bedeutet Abnehmen





©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

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