Dienstag, 19. April 2011

Qi von Himmel und Erde

Nach daoistischer Ansicht ist der Mensch das Resultat des Zusammenspiels zwischen dem Qi des Himmels und dem Qi der Erde.

Als Himmlisches Qi (oft auch Kosmisches Qi genannt) wird die energetische Kraft von Sonne, Mond und Sternen, wie auch atmosphärische Einflüsse (Witterung) bezeichnet. Wind, Hitze, Feuchtigkeit, Trockenheit und Kälte haben als pathologische Faktoren (für die sogenannten exogenen Krankheiten) großen Einfluss auf das individuelle Qi des Menschen, das uns hier natürlich im besonderen interessiert. Die Übungen des Qi Gong (das betrifft sowohl Stilles Qi Gong wie Qi Gong in Bewegung) werden immer unter Berücksichtigung des Himmlischen Qi durchgeführt, das heißt es werden Himmelsrichtung, Jahreszeiten, Tageszeit und Witterungseinflüsse berücksichtigt.

Das Qi des Himmels (Yang) wird täglich über die Atmung aufgenommen. Beim Qi Gong und in der Meditation erfolgt die Aufnahme des Himmlischen Qi auch über den Scheitelpunkt (Bai Hui, Mitte Schädeldecke), über die „Laogong Punkte“ (Mitte Handfläche, dort, wo der gekrümmte Mittelfinger die Handfläche berührt) und über die Poren der Haut.

Die Aufnahme dieses Qi wird durch Meditation in Ruhe (Stilles Qi Gong) und/oder Meditation in Bewegung und bestimmte Atemübungen bewusst verstärkt und gefördert. Bei einigen Meditationstechniken wird Himmlisches Qi über das Dritte Auge aufgenommen.

Das fördert den Eintritt von innerer Stille und vermindert das geistige Geschwätz, das heißt das gebetsmühlenartige Wiederkehren von bestimmten, oft störenden oder quälenden Gedanken. Die Großhirnrinde wird beruhigt, was sich auf die Psyche harmonisierend auswirkt und im Körper dazu führt, dass muskuläre Verspannungen abgebaut werden.

Dadurch kann das Qi frei unseren Körper durchfluten und Qi -Blockaden werden aufgelöst oder verhindert.

Das Qi der Erde (Yin) nährt unseren Körper mit Lebenskraft, indem das Yin-Qi der Erde in den Bereich der Punkte Sprudelnde Quelle auf der Fußsohle über die Innenbahnen der Beine in den Energiekreislauf (Meridiane) einströmt. Wenn man die Fußsohle in drei Teile teilt, liegen die Punkte sprudelnde Quelle auf beiden Fußsohlen zwischen dem vorderen Drittel (Zehen-Drittel) und mittlerem Drittel in der Sohlenmitte.

Die Aufnahme vom Qi der Erde wird im Stehen gemeinsam mit der Aufnahme des Himmlischen Qi durch Lenken der Aufmerksamkeit, verbunden mit Atemübungen und bestimmten Bewegungen (oder unbewegt in der Baumstellung) praktiziert, sodass das allgemeine Qi-Niveau und damit die gesamte Vital-kraft stark angehoben wird.

Dem Qi des Himmels (oben) wird Yang Aspekt und dem Qi der Erde (unten) Yin Aspekt zugeordnet.

Im Feng Shui (daoistische Philosophie von Wind und Wasser) ist das Yang des Himmels und das Yin der Erde von essentieller Bedeutung. Man geht davon aus, dass die Himmelsenergie, das Yang des Himmels, durch spezielle Kraftlinien in die Bergspitzen geleitet wird und wie der Hauch eines Drachen in den Berggipfeln mündet und Magnetfelder aufbaut. Der Atem des Drachen, das Yang des Himmels, verbindet sich mit dem Yin der Erde und breitet sich als Kraftlinien über die Erde aus. Da diese Adern der magnetischen Richtung des Kraftfeldes folgen, kommt es an besonderen Orten, wo viele solcher Kraftlinien zusammentreffen, zu einer Ansammlung und Quelle von lebenspendender Energie, bei einem Ungleichgewicht von Yin und Yang aber zu besonderen Gefahrenkonstellationen.

In Wudang (China) zeigten mir Daoisten eine riesige Fläche in der Größe einiger Fußballfelder, wo im 17. Jahrhundert ein Tempel gebaut worden war, obwohl Eingeweihte vor permanenter Feuergefahr wegen zu viel Yang warnten. Nach einigen Jahrzehnten brannte der Tempel tatsächlich ab, wurde erneut aufgebaut und fiel wieder den Flammen zu Opfer. Der letzte Wiederaufbau erfolgt im 19. Jahrhundert und endete wieder mit einem Feuerunglück, worauf kein erneuter Versuch mehr gestartet wurde.

Jeder von uns kennt solche besondere Plätze, seien sie in Kirchen, Domen oder Tempeln, in Städten oder in der Natur, unter einem mächtigen Baum, Felsen oder Wasserfall, bei einem kraftvollen Strom oder sprudelndem Bächlein, wir spüren dort das Qi des Himmels und der Erde und wenn wir unsere Aufmerksamkeit darauf richten, werden wir dieses Qi durch die Kraft unserer Vorstellung aufnehmen und Energien auftanken wie in einem Jungbrunnen..













©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

1 Kommentar:

  1. Wir Abendländer neigen zum theoretisieren. Bewundernswert, wie die Chinesen ihre spirituellen Erkenntnisse in die Lebenswirklichkeit einfliessen lassen. Das Qi ist eben in allem, im Manifesten und im nicht Manifesten. Durch die Diesseitsbezogenheit des Chinesen, findet das Qi Anwendung in allen Lebensbereichen und so soll es auch sein.

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