Sonntag, 17. April 2011

Die daoistisch philosophische Konzeption des universalen Qi

In den Aufzeichnungen des legendären Gelben Kaisers (Huang Di) werden erstmals die Vorstellungen der alten Chinesen über die Naturkraft Qi dargestellt.

„Der Mensch lebt inmitten von Qi, und Qi erfüllt den Menschen. Angefangen bei Himmel und Erde bis zu den zehntausend Wesen braucht alles Qi, um zu leben.“

Huang Di wird als einer der „Unsterblichen“ des Daoismus verehrt und und gilt als eine göttliche und mystische Gestalt aus dem 3. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung.
Die Daoisten bezeichnen ihn als Autor des Buches „Die Medizin des gelben Kaisers“(„Huangdi Neijing“).
Dieses Buch enthält das damalige Wissen über die universale Kraft Qi, die im Makrokosmos wirkt. Da der Mensch und sein Organismus als verkleinertes Abbild des Makrokosmos angesehen wurde und deshalb als eigenes Universum, als Mikrokosmos galt, wurden die körperlichen Prozesse mit den in der Natur wirkenden Elementen, Kräften und Prozessen untrennbar verbunden. Der Mensch steht nach daoistischer Sicht untrennbar mit der Natur in Abhängigkeit und kann aus ihr nicht herausgelöst werden. Daraus entstand die Lehre von Yin und Yang, von den 5 Elemente (Wandlungsphasen), die Lehre von Qi und den Meridianen, der Akupunktur, Akupressur und Moxibustation und anderen Bereichen der Traditionellen Chinesischen Medizin.

Der Begriff Qi hat bis zu 30 verschiedene Bedeutungen wie Atem, Wolke, Dunst, Energie, Nahrung, Veranlagung, Temperament, Kraft, Atmosphäre, Lebenshauch etc. und auch die Schriftzeichen wandelten sich im Lauf der Zeit.

Das am häufigsten verwendete aktuelle Schriftzeichen bedeutet Dampf, der über erhitztem Reis aufsteigt.
Das deutet darauf hin, dass Qi übrwiegend als „Nicht-Stofflich“ definiert wird.

Die Vieldeutigkeit des Begriffs Qi macht eine Übersetzung nahezu unmöglich. Keine Übersetzung wird der wahren Bedeutung gerecht, deshalb ist es besser, diesen umfassenden und kaum übersetzbaren Begriff Qi als chinesischen Begriff in jede andere Sprache zu übernehmen.

In der daoistischen Philosophie zieht sich Qi vom Ursprung des Seins, vom Urzustand ( Wuji genannt) , in dem alle Existenzen enthalten, aber noch nicht in Erscheinung getreten sind, über Yin und Yang, als die polaren „sowohl als auch“ Manifestationen des Qi, bis über die fünf Wandlungsphasen (Elemente) hin zu den „Zehntausend Dingen“, zu den unendlich vielen Manifestationen unseres Universums.

Kernelement und Essenz der daoistischen Philosophie wie auch der Traditionellen Chinesischen Medizin ist das Konzept von Qi mit seinen Aspekten und komplementären Polen Yin und Yang.

Vielfach wird Qi als Synonym für Lebensenergie, Lebenskraft, elektromagnetische Energie etc. gebraucht.
Diese Bedeutungen sind aber zu einschränkend und treffen nur Teilbereiche und nicht die essentiellen Bedeutungen von Qi.

Im philosophischen Sinn bedeutet Qi „Universales Qi“, eine Essenz oder Qualität und insbesondere Information, die alles durchdringt und erfüllt, Qi durchdringt den gesamten Kosmos, den weitesten Raum und alles was in ihm existiert. Qi hat nach daoistischem Verständnis sowohl energetische wie auch stoffliche Aspekte, es ist Materie und Nichtmaterie, Qi ist schon im „Wuji“ (Urzustand) existent und tritt durch Bewegung in Erscheinung. Kommt das Yang der Bewegung zum Höhepunkt tritt Ruhe ein und das als Samen im Yang angelegte Yin entwickelt sich zu seinem Höhepunkt, und, „vice versa“ immer fort. Aus diesem Yin-Yang Aspekt des Qi entstehen die 5 Wandlungsphasen, der Mensch und die „10.000 Dinge“.

Das gesamte Universum resultiert aus der Bewegung von Qi und aus dem Spannungsfeld von Stofflichem und Nicht-Stofflichem, aus dem Spannungsfeld von Materie und Energie, aus dem Spannungsfeld von Yin und Yang.

Lao Tse, 5. Jh. vor unserer Zeitrechnung definiert Qi so: „Qi ist Materie, die man nicht sehen kann, wie Luft, ohne Form, ist Qi weg, ist das Leben zu Ende!“

Zhu Xi, Philosoph, 12. Jh nach unserer Zeitrechnung: „Wenn Qi sich anreichert, können Wesen entstehen...“
„Wenn Qi sich zusammenballt, nennt man es XING (Form, Gestalt, Körper)...“

Die alten Weisen waren überzeugt, dass alle materiellen Dinge lediglich eine Zusammenballung von Qi darstellen. Geburt und Tod waren für sie nicht Anfang und Ende.

„Entstehen und Vergehen der Dinge, Geburt und Tod, bedeuten lediglich Bewegung und Wechsel des Qi“

Diese Aussagen, in unsere Terminologie gebracht, bedeuten also, dass Leben und Tod einen Wechsel des Aggregatzustands darstellen.

Die alte chinesische Sicht und Konzeption des Qi entspricht erstaunlich dem Weltbild, das Jahrtausende später die moderne Atomphysik entwarf und die Newtonsche logisch kausale mechanische Physik aus den Angeln hob.

Es sei nur andeutungsweise auf Einsteins „Energiefeld“ verwiesen.

Einstein: „Wir können daher Materie als den Bereich des Raumes betrachten, in dem das Feld extrem dicht ist […] in dieser neuen Physik ist kein Platz für beides, Feld und Materie, denn das Feld ist die einzige Realität.“

Laut Heisenberg ist die Energie die Grundsubstanz der Welt, alle Elementarteilchen seien aus dem gleichen Stoff, nämlich aus Energie gemacht und die Energie müsse sich in verschiedene Formen begeben, um Materie zu werden.

Aus der Sicht der alten Chinesen klingt das so: Die Erscheinungsformen Yin und Yang entstehen durch das Verdichten von Qi durch Bewegung und daraus entsteht „Materie“. Aus Ansammlung der Materie (Zusammenballen von Qi) entsteht das Körperlich-Stoffliche, also Form und Raum, in denen das Geistig-Seelische (das Nicht-Stoffliche als Grundsubstanz des Universums) immanent vorhanden ist. Im ständigen Wandel kommt es permanent zur Transformation von einem zum anderen Aggregatszustand.

So entstehen die 5 Elemente (oder Wandlungsphasen) und die 10.000 Dinge (die unzähligen Erscheinungsformen im körperlichen, geistig seelischem Bereich) im stetigen Wandel von Entstehen und Vergehen.












©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

1 Kommentar:

  1. Das Dao ist sicherlich eines der wichtigsten Weisheitsbücher, die jemals geschrieben wurden. Was uns schwer fällt, ist uns in den östlichen Begriffen zurechtzufinden. Das Qi ist sicherlich nur mit dem Begriff das nichtmanifeste Sein zu beschreiben, sofern man eine Beschreibung überhaupt zulassen will. Wir gehen auch in unserer abenländischen Betrachtungsweise davon aus, dass alle manifesten Erscheinungsformen aus dem nichtmanifesten entspringen und dass diese übergeordnete nicht beschreibbare Intelligenz Grund und Ursprung allen Seins ist.

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