Freitag, 18. Februar 2011

Die Körperpositionen im Qi Gong

Sehr wichtig für die Wirksamkeit von Qi Gong ist, dass die Übungen in der korrekten Körperhaltung durchgeführt werden.


Eines der Grundprinzipien des Qi Gong ist folgendes:

Wenn die Körperhaltung falsch eingenommen wird, kann das Qi nicht gleichmäßig fließen. Wenn Qi nicht gleichmäßig fließt, kann sich der Geist nicht konzentrieren. Wenn sich der Geist nicht konzentrieren kann, kommt das Qi in Unordnung und die Übung bringt keinen Nutzen.


Die einfache Sitzposition:

Man sitzt aufrecht auf einem Stuhl. Sowohl das Hüftgelenk (Oberkörper und Oberschenkel), wie auch die Kniegelenke (Oberschenkel und Unterschenkel), bilden einen rechten Winkel, die Knie sind schulterbreit geöffnet, die Fußsohlen sind fest auf dem Boden und zeigen parallel nach vorne, die Hände liegen entweder mit den Handflächen nach oben locker auf den Oberschenkeln

oder die Hände ruhen ineinander auf dem Schoß, wobei beide Handinnenflächen nach oben gerichtet sind. Die Daumen sind leicht aufgestellt und berühren einander. Die entstehende Öffnung heißt „Tigermaul“. Ob die Rechte in der Linken liegt oder umgekehrt, richtet sich meiner Erfahrung nach ganz nach dem Wohlbefinden der/des Übenden. Die meisten Menschen fühlen sich am wohlsten, wenn die arbeitende Hand (bei Rechtshändern die rechte) in der ruhenden Hand liegt. Das gilt für Frauen und Männer.

Die alten Regeln sagen, Männer legen die Linke in die Rechte, Frauen umgekehrt. Dagegen spricht, dass Frauen wie auch Männer beim daoistischen Gruß traditionell die rechte Hand in der linken verbergen, sodass dann immer die Rechte in der Linken liegt.

Nach einiger Zeit des Übens merkt man bald, wie die Hände zu legen sind, dass man sich wohl fühlt.

Der Rücken und die Wirbelsäule sind aufgerichtet, man sitzt auf der vorderen Hälfte der Sitzfläche des Stuhles, auf den Sitzknochen. Um den Fluss des Qi nicht zu stören, lehnt man sich nicht an. Die Schultern hängen locker, die Brust ist leicht eingezogen (also nicht hinausgestreckt), der Nacken ist gerade aufgerichtet, so dass der Scheitelpunkt (Bai Hui) in einer Senkrechte über dem Dammpunkt (HuiYin)[ zwischen Anus und Geschlechtsteil] liegt. [Der Scheitelpunkt liegt im Schnittpunkt der gedachten Linie auf der Schädeldecke von Ohrspitze zu Ohrspitze und einer gedachten Linie in der Mitte der Schädeldecke vom Stirn zum Nacken][Der Dammpunkt liegt Mitte Damm ( auch Perineum genannt) und ist beim Anspannen der Beckenmuskulatur spürbar.]

Der Kopf wird leicht nach vorne geneigt und dadurch gerade gestellt, dass Kinn und Unterkiefer ein wenig zur Brust gezogen werden, sodass in der Halswirbelsäule das Gefühl einer entspannenden, leichten Dehnung entsteht.

Beim Sitzen ist besonders darauf zu achten, dass trotz der nötigen Entspannung die Haltung bewahrt wird. (Lao Tse: „Sei biegsam aber bleibe fest!“)
Schlaffes Zusammensinken ist auf jeden Fall zu vermeiden, weil das den Fluss des Qi beeinträchtigen würde.

Der Mund wird sanft geschlossen, die Zähne sind nicht aufeinander gepresst, sondern liegen locker aufeinander.

Die Augen sind entweder sanft geschlossen oder halb offen und die Augenlider liegen wie ein Vorhang entspannt über den Augen. Die Augen sind unter den geschlossenen Lidern nach unten oder bei halb offenen Lidern einige Meter nach vorne unten gerichtet, ohne irgend etwas zu fixieren, das wird ausgedrückt mit: „Man sieht und man sieht nicht“. Gelingt es nicht, Augen und Augenlider zu entspannen, legt man die gekrümmten Handflächen über die Augen, bis durch die dadurch erzeugte Wärme und Dunkelheit die gewünschte Entspannung eintritt.
Die Zungenspitze liegt sanft hinter den oberen Schneidezähnen am harten Gaumen. Das Gesicht wird durch ein angedeutetes Lächeln entspannt. Das gilt auch für alle anderen Positionen im Qi Gong!


Die Sitzposition mit übereinanderliegenden Unterschenkel:

Auf einem Sitzkissen sitzend überkreuzt man die Beine und legt den Fußrücken des rechten oder linken Beines (nach eigener Wahl) mit den Fußsohlen nach oben auf den Oberschenkel des anderen Beines, während die Unterschenkel aufeinander zu liegen kommen (Halblotussitz).
Die Hände liegen ineinander mit nach oben gerichteten Handflächen. Es wird allgemein empfohlen, dass Hände und Füße korrespondieren sollen, das heißt: Liegt der linke Fuß auf dem rechten Oberschenkel, so sollte auch die Linke Hand in der Rechten liegen und vice versa. Das hängt mit der Steuerung der linken und rechten Hirnhemisphäre zusammen, die ja bekanntlich die jeweils andere Körperhälfte steuern.

Hinsichtlich Oberkörper, Nacken, Kopf und Gesicht erfolgt das Prozedere so, wie bei dem „einfachen Sitzen auf dem Stuhl“ beschrieben.

Dieser sogenannte Halb-Lotus-Sitz wir durch das Legen beider Fußrücken auf den Oberschenkel des jeweils anderen Beines zum Voll-Lotus-Sitz.

Diese beiden Arten des Sitzen mit übereinandergelegten Beinen ist nur für Geübte mit jahrelanger Meditationspraxis zu empfehlen, denen entspanntes Sitzen auf diese Art ohne Schmerzen möglich ist.

Die gewählte Sitzposition darf auf keinen Fall Schmerzen bereiten, da dies jegliche Entspannung unmöglich machen würde.


Die normale Standposition:

Beim Üben im Stehen sind die Füße schulterbreit auseinander. Die Füße sind parallel mit nach vorne gerichteten Zehen. Beide Füße werden gleich belastet, das Gewicht liegt deutlich mehr auf den Zehen-ballen als auf den Fersen.
Etwa im Verhältnis zwei Drittel zu einem Drittel, verbunden mit der Vorstellung, dass die Fußsohlen mit Wurzeln tief in die Erde reichen.

Die Knie sind in der Grundstellung leicht gebeugt, nicht durchgestreckt. Ist bei den Übungen nicht eine tiefe oder halbhohe Standposition gefordert, so sollten die Knie nur so weit abgewinkelt werden, dass die lotrechte Linie vom Knie zu den Zehen nicht über die Zehen hinausragt. Die Knie sind leicht nach außen zu öffnen, keinesfalls soll man sogenannte X – Beine machen. Es soll ein sehr sanfter Zug nach außen in den Knien spürbar sein und die vertikale Mitte der Kniescheibe senkrecht über dem mittleren Zeh liegen. Dies ist wichtig, weil die Knie mit dem Blutkreislauf und dem Fluss des Qi korrespondieren. Fehlstellungen der Knie würden den Blutfluss und den Qi -fluss in den Meridianen in den Beinen behindern.

Der Damm bzw. die Gesäßmuskulatur wird leicht, ohne Kraftanwendung angespannt.

Der Bachraum wird entspannt, dadurch vergrößert sich der Raum des unteren Dant'ien und kann sich besser mit Qi füllen.

Ein wichtiges Prinzip im Qi Gong besagt: Unten fest, Oben leicht!

Man fühlt mit der Fortdauer der Übungen eine intensive Beziehung zum Boden und erdet sich und verwurzelt im Boden, gleichzeitig wird der Körper ab der Taille immer leichter, ohne Druck und Anspannung, er hängt oder schwebt quasi am Seidenfaden, der gedacht über dem Scheitelpunkt (Bai Hui) angebracht ist.

Das Becken ist leicht nach vorne gekippt, es ist also das Gegenteil eines Hohlkreuzes, und der Rücken kann dadurch gerade aufgerichtet werden. Diese Position ähnelt jener, die man einnimmt, wenn man gerade dabei ist, sich zu setzen. Gelingt es in dieser Position, die Bauchmuskulatur zur Probe kurz anzuspannen und dann den Bauchraum zu entspannen, dann stimmt die Beckenstellung.

Der Kopf ist wie beim oben beschriebenen Sitzen aufgerichtet, das Kinn ein wenig zur Brust angezogen und der Scheitelpunkt liegt über dem Dammpunkt. So kann Qi und Blut über dem Rücken aufsteigen und das Gehirn versorgen.

Stellt man sich vor, dass der Kopf am Scheitelpunkt auf einem Seidenfaden hängt, dann gelingt auch die Vorstellung, das die einzelnen Wirbel der Wirbelsäule wie Perlen an einer Perlenschnur senkrecht hinunter hängen bis zum Steißbein.

Die Lippen sind leicht geschlossen, die Zähne sind nicht aufeinandergepreßt, sonder ruhen leicht aufeinander. Dadurch wird das Austreten und Verlieren von Qi verhindert. Die Zungenspitze liegt hinter den oberen Schneidezähnen am harten Gaumen.

Die Schulter hängen leicht und entspannt und die Brust ist nicht hinausgestreckt, sondern leicht eingezogen. Dadurch wird die Brustmuskulatur entspannt. Die Arme hängen seitlich locker herab, die Hände liegen ineinander mit den Handflächen nach oben vor dem unteren Dant'ien (drei Querfinger unter dem Nabel), und zwar einige Zentimeter weit vom Körper weg, sodass man in die Achselhöhlen jeweils einen Tischtennisball legen könnte. Es hilft auch die Vorstellung, dass in den Achseln ein rohes Ei gehalten wird, das einerseits nicht zerdrückt werden soll und anderseits nicht hinunter fallen darf. Dadurch sind die Achselhöhlen geöffnet und das Qi kann frei fließen..

Bei allen Bewegungen im Qi Gong ist es wichtig, dass die Handgelenke entspannt und locker sind.
Dazu ist es nötig, dass die Hände hohl gemacht werden und dass die Finger sich nicht berühren und leicht nach innen gekrümmt sind. Das nennt man „Drachenhände“, die gemeinsam mit den geschmeidigen Handgelenken und den geöffneten Achseln zu einer Regulierung der Meridiane des Oberkörpers führen.

Die Augen sind ein wenig geöffnet und entspannt, der Blick ist einige Meter nach vorne unten gerichtet, ohne irgendetwas zu fixieren.

Das im Qi Gong obligatorische sanfte Lächeln im Gesicht führt nicht nur zur Entspannung der mimischen Muskulatur, sondern auch zu einer besseren Durchblutung des Kopfes und vor allem einiger Teile des Gehirns.

Hinsichtlich der Stehhöhe bei bestimmten Übungen können auch tiefere Positionen gefordert werden. Der einzige Unterschied ist dann der in den Knien gebildete Winkel, alles übrige ist gleich.

Die Position kann in Ausnahmefällen bis zur tiefen Hocke gehen.


Die Reiterposition:

Bei der Reiterposition ist alles so wie in der normalen Standposition beschrieben, nur werden die schulterbreit parallel stehenden Füße mit den Zehen 45 ° nach außen gekippt und dann die Fersen 90° nach außen und danach letztlich die Zehen noch einmal 90° nach außen gekippt, und so die Position eines Reiters eingenommen, der auf einem Pferd sitzt. Wichtig ist auch hier das Becken nach vorne zu kippen (kein Hohlkreuz), um durch den geraden Rücken das Fließen des Qi zu fördern und zu ermöglichen.


Die Position in Seitenlage:

Man liegt auf der rechten Körperseite (am Ende der Übung richtet man sich auch über die rechte Körperseite wieder auf) auf einer Unterlage mit oder ohne einem flachen Kissen, die rechte Hand ist unter dem Kopf, wobei die rechte Wange in der rechten Handfläche liegt, oder die rechte Hand liegt vor dem Kopf, mit den Handflächen nach oben.

Das untere Bein ist fast gestreckt, das darauf liegende Bein ist im Knie etwas stärker abgeknickt, ohne die Unterlage zu berühren.

Der linke Arm liegt locker auf dem linken Bein.

Die Augen sind halb offen und entspannt, die Zungenspitze liegt hinter den oberen Schneidezähnen am harten Gaumen. Beim Liegen in Seitenlage sollte der Magen fast leer, keinesfalls aber voll sein.

Nach den klassischen daoistischen Anweisungen soll man Stehen wie eine Tanne, Sitzen wie eine Glocke und Liegen wie ein Bogen. Mit der Öffnung zum Westen wurde das Sitzen auf einem Stuhl und die Rückenlage beim Liegen auch im daoistischen Qi Gong akzeptiert.

Wollten in alten Zeiten die daoistischen Mönche zur Verlängerung ihres Lebens einen tage- oder wochenlangen Meditationsschlaf halten, legten sie sich auf ihre rechte Körperseite, die rechte Wange ruhte in der rechten Hand, und der Daumen wurde sanft in die Vertiefung unter dem Ohrläppchen gedrückt.

Hier ist der Bereich des Akupunkturpunktes Yi-Feng. Das ist einer der sogenannten „Windpunkte“, der noch heute bei der Kopfmassage mit Daumen und Zeigefinger bearbeitet wird, um Nacken-starre und aufsteigendes Leber Yang zu beseitigen, dazu drückten die Meditierenden noch einen weiteren Akupunkturpunkt.

Auf die Angabe des zweiten Akupunkturpunktes muss aber mangels Führung durch einen Meister verzichtet werden, da Übungen dieser Art nicht ungefährlich sind, wenn sie außer Kontrolle geraten.

Die hier beschriebene Methode kann aber für tiefe Entspannung und Meditation, aber auch für einen besseren Schlaf hilfreich sein.




Die Position in Rückenlage:

Die Position in Rückenlage wurde in dem Post „Entspannung im Liegen“ sehr ausführlich beschrieben. Man liegt auf dem Rücken, nach Belieben mit oder ohne Kissen, Körper und Beine sind locker ausgestreckt, die Fersen liegen am Boden, die Füße kippen locker mit den Zehen zur Seite. Die Arme liegen seitlich neben dem Körper oder sind auf dem Unterbauch übereinander gelegt.


Qi Gong im Gehen:

Auf die Darstellung von Qi Gong im Gehen, insbesondere des von Frau Guo Lin mit gezielter medikamentöser Krebsbehandlung eingesetzten „Gehen mit Windgeräusch-Atmung“ wird in diesem Post verzichtet, weil das den Rahmen der Darstellung von Grundpositionen sprengen würde.

Aufgrund der Komplexität der Bewegungsabläufe in Zusammenhang mit der Atemtechnik scheint mir eine klar verständliche Beschreibung zum autodidakten Erlernen des „Neuen Qi Gong von Frau Guo Lin“ kaum möglich. Ich werde mich in einem gesonderten Post mit dem Thema auseinandersetzten, die Teilnahme an einem entsprechenden Kurs bzw. der Unterricht durch einen erfahrenen Therapeuten wird aber bei tieferem Interesse am Erlernen dieser Methode unumgänglich sein.





©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

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