Freitag, 27. Mai 2011

Voraussetzungen für therapeutischen Heilerfolg durch Qi Gong

Qi Gong ist seit tausenden von Jahren eine der Säulen der Traditionellen Chinesischen Medizin.
Sowohl bei präventiver wie auch bei therapeutischer Anwendung sind drei essenzielle Voraussetzungen zu erfüllen.

  1. „Entspannung“ (Song) und „Still-werden“ (Ching)
  2. Synchronisation (Übereinstimmung, Vereinigung) von Aufmerksamkeit (Yi) und Atmung
  3. Aneinanderreihen von Üben und Ausruhen (Einfach Sein)

Die erste Voraussetzung: Entspannen und Still-werden

Qi Gong erfordert zur Wirksamkeit der Übungen, seien es Übungen des „Stillen Qi Gong“ oder „Übungen in Bewegung“, körperliche Entspannung und innere Ruhe (Still-werden).

In diesem Blog wurden bereits einige Entspannungsübungen vorgestellt. Sie beschreiben, was gemacht werden kann, um den Körper des Übenden mit all seinen Muskeln, Sehnen und Gelenken vollkommen zu lockern und zu entspannen.

Man beginnt bei der Entspannung immer mit Kopf, Gesicht und Augen, lächelt nach Innen und entspannt den gesamten Körper von oben nach unten, egal, ob man steht, geht, sitzt oder liegt.

Dazu sind auch Jogaübungen oder Schüttelübungen, die den gesamten Körper lockern und schon als daoistische Verjüngungskur in diesem Blog gepostet wurden, bestens geeignet.

Achtung:

Bei der körperlichen Lockerung ist strikt darauf zu achten, dass weder keuchender Atem oder Kurzatmigkeit, noch Atemknappheit oder Atemnot hervorgerufen werden. Man soll in jeder Phase der Lockerungsübungen in der Lage sein, leicht, ruhig und sanft zu atmen. Die körperliche Lockerung und Entspannung „Sung“ als Grundlage für Qi Gong Übungen stehen im krassen Gegensatz zu den im Sport üblichen Aufwärmübungen, wo der Körper durch Erhöhung von Pulsfrequenz und Körpertemperatur vor eventuellen Verletzungen geschützt und auf Betriebstemperatur gebracht wird. Im weichen Qi Gong sind die Bewegungen sanft und es kommt niemals zu Überdehnungen von Muskeln, Sehnen, Bändern und Gelenken. Es geht einzig darum, den Körper in seiner Gesamtheit zu lockern und für den Qi-Fluss durchlässig zu machen. Das passiert eben nur, wenn auch dieses Lockern täglich geübt wird, und alle Lockerungsübungen in Ruhe und Natürlichkeit, ohne Krafteinsatz und Anstrengung ausgeführt werden. Dabei richtet sich die Aufmerksamkeit auf die bewegten Körperteile und es wird bewusst solange gelockert, bis auch der letzte Rest von Anspannungen im Körper verschwindet. Nur ein entspannter Körper ist für die Energien durchlässig und Sinn des Qi Gong ist es, Qi-Blockaden auflösen, das Qi im Energiekreislauf zu bewegen, auch die entferntesten Zellen mit frischem Qi zu versorgen und altes verbrauchtes Qi auszuscheiden.

Wenn wir beim Lockern unsere Aufmerksamkeit auf die zu entspannenden Körperteile oder Körperregionen richten, erfolgt gleichzeitig eine Entspannung des gesamten Denkkomplexes.
Äußere Reize werden immer mehr in die Ferne rücken und die Denksubstanz wird mehr und mehr beruhigt. Herumirrende Gedanken werden nicht mehr verfolgt und verlieren immer mehr an Bedeutung. Mit der Fortdauer der Übung lernt man, Gedanken kommen und gehen zu lassen, ohne dass sie eine Spur hinterlassen. Das Still-werden (Ching), der Zustand der inneren Ruhe, geht immer Hand in Hand mit der Entspannung der Muskulatur. Je entspannter die Muskulatur ist, desto tiefer ist der erreichte Grad des inneren Ruhezustandes.

Natürlich erschweren gewisse Lebenssituationen das Entspannen und Still-werden. Wenn man aber nicht in der Lage ist, diese Situationen aus eigener Kraft zu meistern, sollte man nicht davor zurückscheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sei es durch einen guten Qi Gong Lehrer oder durch einen guten Therapeuten.

Will man sich aber trotz schwieriger Lebenssituation aus eigener Kraft zur Selbsthilfe aufraffen, so funktioniert das nur mit viel Üben und Entspannen. Mit Üben und Loslassen. Man muss Üben und geduldig warten, bis der Körper durchlässig wird. Der „Song“ Zustand kann nicht gemacht werden, er stellt sich bei Entspannung und innerer Ruhe von selbst ein. Und letztlich wird die Ruhe und die Natürlichkeit auch im täglichen Leben Einzug halten.

Die zweite Voraussetzung: Übereinstimmung von Aufmerksamkeit und Atem


Grundsätzlich sollte ein Anfänger im Qi Gong vorerst einmal natürlich  atmen, also den Atem frei fließen zu lassen und nicht versuchen, den Atem zu regulieren. Der Atem sollte nach Lockerung und Still-werden rund, weich, langsam und tief sein. Rund heißt, der Atem sollte von selbst kommen und gehen, ohne jedes Wollen, und zwar ohne jede Anstrengung. Rhythmisch, ohne merklichen Übergang von Einatmen zum Ausatmen, wie eine Welle, die sich aufbaut und wieder abschwillt, ohne Kraftanwendung der Atemmuskulatur.

Ideal ist die Ein- und Ausatmung durch die Nase. Wenn es gelingt, dass der Atem so sanft fließt wie durch einen Seidenfaden gezogen, der jäh abreißen könnte, kann dazu übergegangen werden, den Atem in der Vorstellung tief und sanft in den Unterbauch zu ziehen. Dabei ist der Atem wie eine Sinuskurve, die etwas steiler ansteigt und etwas flacher abfällt. Das heißt, das Einatmen ist etwas kürzer und das Ausatmen ist etwas länger.

Die Aufmerksamkeit des Atmenden ist auf den Atem gerichtet. Aber nicht angespannt oder krampfhaft, sondern beobachtend. Der Atmende wird Beobachter des eigenen Atems, er wird zum einfachen Zuschauer. Er beobachtet etwas, was er schon hunderttausende mal gemacht hat, ohne sich dessen bewußt zu werden. Aber er greift keinesfalls in diesen Atemprozess ein!

Je ruhiger und gelassener das Gehirn und das Nervensystem sind, desto langsamer geschieht auch die Atmung ohne Kraftanstrengung. Und je ruhiger die Atmung verläuft, desto leichter wird ein überreiztes vegetatives Nervensystem wieder ins Gleichgewicht gebracht.

Achtung:

Die Aufmerksamkeit wird immer durch die Atmung gelenkt und nicht umgekehrt. Der Atem bestimmt, die Aufmerksamkeit folgt und haftet ihm an.
Bei Qi Gong in Bewegung bestimmt immer die Atmung und die Atemlänge die Länge der Bewegung, nie umgekehrt!

So kommt es zur Vereinigung bzw. Übereinstimmung von Aufmerksamkeit und Atmung.


Die dritte Voraussetzung: Aneinanderreihen von Üben und Ausruhen (Einfach Sein)


Im Allgemeinen definiert sich der westliche Mensch durch Aktivität. Von Kindheit an sind wir konditioniert, zu funktionieren und „etwas zu tun“, etwas zu leisten. „Nichtstun“ wird gleichgesetzt mit „Nichts taugen“, den natürlichen Wechsel zwischen Aktivität und Ruhe müssen wir erst wieder lernen. Wir müssen wieder lernen, auf den Körper zu hören und seinem Ruhebedürfnis nach Anstrengungen, seien diese körperlicher oder geistiger Art, nachzukommen.

Es ist daher in der Regel viel leichter, einem Patienten verständlich zu machen, was er tun, was er üben soll, als ihn/sie dazu zu bringen, etwas nicht zu tun, etwas zu unterlassen.

Es ist nicht leicht, einen Übenden davon zu überzeugen, dass er nach all seinen Aktivitäten und Übungen den Anforderungen seines Organismus nach Passivität, nach Ruhe, folgen und in den Zustand des absoluten Nichtstuns eintreten soll.

Entsprechend dem kosmischen Gesetz von Yin und Yang muss auf Aktivität Ruhe folgen, dem Üben muss das Nicht-Üben folgen.

Die Patienten finden meistens nicht den richtigen Weg zwischen Üben und „Nicht Üben“.

Vielfach sind Kranke passiv, deprimiert, halten die Übungen für nicht notwendig und zweifeln an der Wirksamkeit. Damit verabschieden sie sich innerlich von jedem möglichen Selbstheilungsprozess des Organismus.

Andere wieder sind über-motiviert und wollen die Heilung willentlich erzwingen. Sie legen also in einem Augenblick, wo das Feuer schon gut brennt, noch soviel Holz nach, dass der Ofen explodiert.

Der Selbstheilungsprozess des Organismus greift dann, wenn der Übende nach Beendigung der Übungen den Zustand „passiver Ruhe“ einnimmt. Einen Zustand des “Nicht Wollen“ , des „Nicht Eingreifen“, des „Loslassen“, des „Vergessen jeden Wollens“, diesen Zustand nennt man „Wu Wei“.

Wer diesen Zustand des „Nicht-Eingreifen“ erlernt, der begreift, dass die Natur seinen Organismus viel besser reguliert,als das durch irgendein „Tun“ möglich wäre, das durch das individuelle Bewusstsein gesteuert wird.

Nach längerer Zeit des täglichen Übens des „Wu Wei“ wird der Körper im Laufe der Übungsphasen noch ruhiger, die Pulsfrequenz sinkt und der/die Übende hat manchmal das Gefühl, überhaupt nicht mehr zu atmen.

Der Körper wird durchlässig für Qi wie ein frisch aufgeschütteltes Daunenpolster oder wie frisch beackerter Erdboden, der Luft und Wasser aufnehmen kann.

Manchmal erlangt der/die Übende auch das Gefühl, dass die körperlichen Begrenzungen verschwinden und er/sie mit der Umwelt, mit dem Kosmos verschmilzt.

Nichts mehr wird willentlich herbeigeführt, es geschieht und man läßt es geschehen. Der Zustand ist geprägt von erhöhter Wahrnehmungsfähigkeit, innerer Harmonie und Heiterkeit und Abkapselung gegenüber äußeren Einflüssen und Reizen.

In tiefer seelischer Ruhe wird oftmals rationales abstraktes Denken in bildliche und sinnliche Wahrnehmung umgewandelt. Komplizierte geistige Zustände und Probleme werden durch die Regulationsfähigkeit des Geistes zu einfachen Zuständen.

Dies nennt man allgemein den „Qi Gong Zustand“ Das ist jener Zustand, wo Selbstheilkräfte des Organismus die Reparaturarbeiten in KörperGeistSeele erfahrungsgemäß am besten durchführen können.

In der modernen Terminologie spricht man auch von „Ruhezustand der Gehirnrinde“ oder vom „Zustand der kortikalen Hemmung“ oder von der „speziellen Schutzhemmung“ .
Dieser spezielle Zustand der Großhirnrinde  wird auch "protektiver, inhibitorischer Ruhezustand genannt.


Schon die alten Qi Gong Meister machten die Erfahrung, dass durch Qi Gong gewisse Reflexe bedingt und ausgebildet werden. Wichtig dabei ist, dass die ganze Aufmerksamkeit (Yi) nur auf eine Sache (in unserem Fall auf die Atmung) gerichtet ist.

Auch heute erlebt der Qi Gong Übende, dass er anfangs viel Zeit des Übens damit verbringt, seine Vorstellungskraft und Aufmerksamkeit zu schulen, um zu lernen, Qi zu leiten und zu lenken.

Irgendwann nach häufigem Üben passiert es  dann, dass alleine eine kurze gezielte Vorstellung oder alleine ein Gedanke die beabsichtigte Qi Bewegungen im Körper bewirkt und den Strom des Qi Flusses reflexartig spürbar macht.

Die moderne Neurophysiologie erforschte (vereinfacht ausgedrückt), dass sich die entstehenden aufeinanderfolgenden Reizwirkungen zu Nervenreizungen umwandeln, die entlang der Nervenfasern in das zentrale Nervensystem laufen, wo die Reize nach den entsprechenden Umschaltungen über andere Bahnen in das entsprechende Organ gelangen. Die dort ankommenden Reize lösen ganz spezifische Reaktionen in den ausführenden Zellen im Organ aus.

Durch die ständig erfolgenden Reize kann das allgemeine positive Funktionieren des Organismus beeinflusst werden. Genauso können vice versa Krankheiten als Wirkung der negativen Konditionierung entstehen, die ebenfalls durch die Einwirkung äußerer und innerer Reize entstanden ist.

Dem „Song Zustand“ kommt nach dieser Theorie eine besondere Bedeutung zu. Dieser Zustand entspricht der schon genannten „speziellen Schutzhemmung“.

Das sind Hemmungsvorgänge, die in der Funktion der Großhirnrinde in den Gehirnzellen eine wichtige physiologische Ruhe herbeiführen. Dadurch kommt es, Neurobiologen mögen mir die Vereinfachung verzeihen, zu einer Abschwächung des Reizzustandes der Gehirnrinde. Das ermöglicht eine schnellere Regeneration der Nervenzellen und bewahren sie vor der völligen Erschöpfung.

Je schwächer das Nervensystem ist, desto weniger verträgt es Überbelastung und umso leichter können sich neurotische Symptome entwickeln. Dem wirkt also diese „spezielle Schutzhemmung“ entgegen.

Die Schutzhemmung kann auch durch Schlafmittel, andere Medikamente und Hypnose erreicht werden.

Die TCM Therapeuten in den Sanatorien Chinas bewiesen in unzähligen Fällen, dass durch die „Inneren Nährenden Übungen“ die gleiche Wirkung ohne Einnahme von Medikamenten erreicht werden kann. Allerdings dauert es länger, sie zu erlernen und zu üben. Der Vorteil dieser Qi Gong Übungen ist, dass sie keine Nachwirkungen hervorrufen.

Bei Interesse sind Übungsbeschreibungen nachzulesen in den Beiträgen „Innere Nährende Atemübungen“, gepostet in diesem Blog.











© 2011Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Montag, 16. Mai 2011

Die Innere Schule der Daoisten und die Äußere Schule der Shaolin

In der daoistischen Tradition liegt das Augenmerk der Übungen und Meditationen der daoistischen Adepten in den ersten Jahren im „Unteren Dant'ien“ im Unterbauch. Das „Untere Dant'ien“ wird auch als das „Untere Feld des Elixiers“ oder als „Goldener Ofen“ bezeichnet.

Der Daoist richtet seine Aufmerksamkeit darauf, immerwährend sein „Unters Dant'ien“ zu behüten wie einen Schatz. Egal ob er spazieren geht oder meditiert. Was auch immer er tut, er richtet seinen gebündelten Geist auf dieses feinstoffliche Energiezentrum im Unterbauch und lenkt in seiner Vorstellung beim Einatmen seine Atmung dorthin. Das nennt man das Feuer unter das Wasser (oder in den goldenen Ofen) bringen. In der klassischen Zeit strebte man damit an, die Unsterblichkeit zu erlangen.

Die Aufmerksamkeit („Yi“) und der Atem sind das „Feuer“, weil Vorstellung und Aufmerksamkeit
(„Yi“ als Aspekt des „Shen“) Yang darstellen. Diese Bündelung von Aufmerksamkeit und Atem führt zu einer Ansammlung von Qi im Unteren Dant'ien. Darüber hinaus kommt es zu einer Ansammlung von Jing, das von den Daoisten seit Alters her als eigene Energie angesehen wird. Jing gilt den Daoisten als Manifestation des Ursprungs Qi, das sich in der machtvollen Sexualenergie als manifestiert. Qi und Jing sind die Brennstoffe im goldenen Ofen „Dant'ien“, der durch Erhitzen zum Überlaufen gebracht wird.

Das wie ein Destillat entstehende „Reine Yang“ steigt auf und durchdringt die anderen Hauptenergiezentren sowohl im feinstofflichen Wesensbereich, wo die Transformation zu „Reinem Qi“ stattfindet, wie auch im körperlichen Bereich, wo Muskeln, Sehnen und Knochen in der Art verändert werden, wie man das nur bei Meistern der Inneren Kampfkunst finden kann. Muskeln und Sehnen werden weich, elastisch und dehnbar, wie die eines Kindes und die Knochen werden durch knochenmarkähnliche Ablagerungen härter als Stahl. Vergleichsmessungen des Gewichts der Unterarme daoistischer Meister und gleich schwerer Männer ergaben, dass die Unterarme der Daoisten um ein Vielfaches schwerer waren als die Unterarme gleichgewichtiger Vergleichspersonen mit mehr Muskelmasse.

Im Daoismus wird wenig gelehrt und gesprochen, aber viel vorgezeigt und geübt. Der Daoistische Meister lehrt durch Vorbildwirkung, nicht mit Worten. Nur durch dauerndes Tun und durch Üben der Aufmerksamkeit und Vorstellung ist es möglich, den erforderlichen Fangsong Zustand zu erreichen.

Das lässt sich nicht mit dem Willen herbeiführen und auch nicht durch Belehrungen übermitteln. Man muss geduldig üben und warten, bis „es“ geschieht. Fangsong ist der Zustand von Gelassenheit und innerer Harmonie, ein Zustand der Heiterkeit und doch von unglaublicher Wachheit und geistiger Frische.

Im Fangsong nähern wir uns wieder dem „Wu Ji“, dem „Ursprünglichen Einen“, ohne Anfang und Ende, aus dem alles kommt und alles zurückkehrt. Im Fangsong wird der Körper durchlässig, das Qi kann frei fließen, die Gesundheit stellt sich ein und unser „Nei Qi“, unser „Inneres Qi“ im Körper wird vermehrt und kultiviert. Und das Yang Qi kann aufsteigen.

Die Tradition der „Shaolin“.

Die Schule der Shaolin wird im Gegensatz zur daoistischen „Inneren Kampfkunst“ als „Äußere Kampfkunst“ bezeichnet. Sie wurde von Ta-Mo, auch bekannt als Bodhidharma oder Daruma, dem ersten buddhistischen Patriarchen der Chan (Zen) Linie, der von Indien nach China kam und 528 n. Chr. 88 jährig verstarb, von außen (Indien) kommend an seine Shaolin Adepten weitergegeben.

Der Name „Äußere Schule“ wurde gewählt, weil Ta-Mo aus Indien kam. Ta-Mo erfand in langjähriger Meditation ein Übungssystem mit der Absicht, die Gesundheit seiner meditierenden Mönche zu fördern und die Gliedmaßen und Muskeln zu stärken. Sie waren durch dauerndes Sitzen in einem erbärmlichen körperlichen Zustand gewesen.

Diese Übungen wurden im Laufe der Zeit weiter entwickelt und es entstand im Gegensatz zu „Inneren Schule (weichen) Schule der Daoisten“ die „Äußere (harte) Schule der Shaolin“, die eine sehr schnelle und harte Kampftechnik anwendet.

Sowohl die Daoisten, wie auch die Shaolin üben „Jinggong“ (Stilles Qi Gong) und „Donggong“
(Qi Gong in Bewegung).

Allerdings üben die Daoisten „Ruan-Qigong“, wie das Weiche Qi Gong bezeichnet wird, während die Shaolin das Harte Qi Gong, das „Ying-Qigong“ praktizieren.

Der Unterschied ist folgender. Im Jinggong üben die Shaolin, das Qi im „Mittleren Dant'ien“ (hinter dem Brustbein gelegen) zu sammeln und später, dieses Qi in die Extremitäten zu leiten. Das üben sie dann im Ying-Qigong, um es direkt im Kampf einzusetzen.


Der Kampfstil der Inneren Schule.


Im Kampfstil der „Inneren Schule“ der Daoisten wird mit dem „Unteren Dant'ien“ (im Unterbauch) gearbeitet und das Qi dort gesammelt, vermehrt und kultiviert.

Es wir sehr viel Wert darauf gelegt, dass die Beine verwurzelt sind wie die Wurzel eines Baumes (Motto: unten schwer und oben leicht) und der Angriff des Gegners, der mit einer Wucht von 1000 Pfund vorgetragen wird, mit der Kraft von drei Unzen abgewehrt wird.

Die Angriffsenergie des Gegners soll sich gegen ihn selbst richten. Dabei soll keine Kraft, sondern Qi angewendet werden, denn das „Weiche überwindet das Harte“. Der Angriffskraft des Aggressors, die weich aufgenommen wird, begegnet man durch Nachgeben, Haften und Abprallen.

Nachgeben: Der angegriffene Teil oder die Seite des Körpers wird leer gemacht. „Wenn der Gegner uns stoßen will, trifft er eine unendliche Leere“, so überliefern es die Daoisten.

Haften: Es erfolgt die Bindung des Gegners durch Haften, Fühlen, Verstehen und Ausgleich.
Durch andauerndes Üben der geistigen Konzentration erlangt man eine derart starke Energiemanifestation des Haftens als geistige Kraft, dass die Qi Anwendung die Dimension des physischen Krafteinsatzes des Angreifers um ein Vielfaches übersteigt.

Bei Meistern entsteht mit dem Haften auch die Kraft der Entwurzelung. Dabei wird der Gegner in einer einzigen Bewegung ohne sichtbaren Krafteinsatz vom Boden aufgehoben und viele Meter weit weggeschleudert.

Abprallen: Das ist die höchste Stufe. Das Qi wird in der Weise verdichtet, dass es einem den Körper umgebenden Netz gleicht, an dem geworfene Gegenstände und jeder gegen den Körper gerichtete Angriff abprallt.


Der Kampfstil der Äußere Schule:

Die Shaolin beantworten jeden Angriff hart und schnell.

Sie lenken Qi in die bedrohten Körperzonen und ummanteln ihre inneren Organe mit Qi. Dadurch sind sie gegen Schläge und Hiebe mit Fäusten und Waffen und auch bei Stichen nahezu unverletzlich und wenden ihrerseits vernichtende Schläge an.

Die Shaolin üben von Anfang an das Sammeln von Qi im „Mittleren Dant'ien“.

Schon von Beginn an ist die Ausbildung auf Effizienz im Kampf ausgerichtet.

So versuchen die Adepten nach jeder Sitzung, ihren Körper durch Schläge von außen abzuhärten. Erst mit der Hand und der Faust, dann mit dem Stock und schließlich mit dem Eisen. Sie werden dabei von ihrem Meister begleitet und unterrichtet.

Bei diesem extremen und harten Training, das sehr hohe Anforderungen stellt, kommt es doch auch vereinzelt zu schweren inneren Verletzung, Magen- und Darm- Blutungen und zur Schädigung von Organen durch die Erschütterungen.

Die Fähigkeit, das Qi in die Extremitäten zu leiten und die kunstvolle Beherrschung verschiedenster Waffengattungen wird bis zur Vollendung trainiert, so dass letztlich die spektakulären Kunststücke beherrscht werden, die man von den Vorführungen der Shaolin kennt.

All das funktioniert nur, weil durch die Vorstellung (Yi) das Qi gelenkt wird und den Körper schützt.

Beide Schulen sind in höchstem Maße effizient und demonstrieren eindrucksvoll die Macht des Geistes über den Körper.

Der Weg der Inneren weichen Kampfkunst ist allerdings sehr viel schwieriger und dauert daher erheblich länger.

Auf der Stufe der Meisterschaft sind beide Stile unschlagbar, beweisen wird sich das aber nie lassen. Denn für jeden Meister, egal ob Shaolin oder Daoist gilt:

Die höchste Form des Kampfes ist das „Nicht-kämpfen.“

Die Daoisten sagen: „Wenn man das Dao auf einer hohen Ebene kultiviert hat, ist die Gelegenheit zum Kampf sehr unwahrscheinlich. Streite dich nicht mit der Welt um weltliche Dinge.“

Wierd dieser Grundsatz befolgt, gibt es kaum eine Grundlage für kämpferische Auseinandersetzungen und „die erworbene Kampfkunst bleibt tief verborgen und kommt nicht zum Vorschein“, sagen die alten Daoisten.

Bei beiden Schulen ist die Idee die geistig-seelische und spirituelle Entwicklung. Nur der Weg ist unterschiedlich.




©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Sonntag, 15. Mai 2011

Das Sammeln, Lenken und Vermehren des Qi

Das wesentliche Merkmal von Qi Gong ist die Synchronisation von „Inneren und Äußeren Abläufen“, also die Regulierung von Geist, Atmung und Körper (Bewegung). Es geht beim Qi Gong darum, das Qi in den Meridianen zum Fließen zu bringen und Yin und Yang auszugleichen. Es wird beabsichtigt, „Jing“, „Qi“ und „Shen“ zu nähren und zu vermehren.

In der daoistische Tradition dient die „Innere Kampfkunst“ der geistig-spirituellen Entwicklung zum „Wahren Menschen“. Das ist ein Mensch, der mit der Natur in Einklang lebt und die ursprüngliche Natürlichkeit wieder erlangt. Er übt die Kunst der Verlängerung des Lebens, um die ihm durch das „Vorgeburtliche Qi“ gegebene Lebensspanne voll ausschöpfen zu können und nicht durch falsche Lebensweise zu verkürzen. Der Körper (als Einheit mit GeistSeele) ist für die Daoisten der Quell für die geistig-spirituelle Entwicklung, um sich auf höherer Stufe der Kultivierung des Dao zu widmen.

Bei allen Stufen der Übungen der „Inneren Kampfkunst“ steht die Kultivierung des Dao im Vordergrund. Gesundheit, langes Leben und die Förderung ungewöhnlicher geistiger und körperlicher Fähigkeiten sind normale Begleitumstände auf diesem Weg, nicht aber das angestrebte Ziel.

Ihr ureigenste daoistische Anforderung lautet: „Rette dich selbst, dann hilf anderen, sich selbst zu retten und verhilf schließlich der Menschheit, sich selbst zu retten“.

Dieser Tradition entsprechend wurden viele Jahrhunderte das Wissen um das Sammeln, Entwickeln und Lenken von „Innerem und Äußerem Qi“ von Generation zu Generation weitergegeben.

Das Üben mit „Innerem Qi“ (Nei Qi) betrifft sogenannte geschlossene Übungen („Nei Gong“), bei denen ausschließlich mit dem körpereigenen Qi gearbeitet wird. Das sind die Übungen, die das Dant'ien und dem Qi Kreislauf betreffen.

Bei den sogenannten offenen Übungen bezieht man das Qi aus der Umgebung mit ein.

Das Sammeln und Lenken des Qi:

Das Sammeln und das Lenken von Qi durch die Vorstellung und Aufmerksamkeit (Yi) ist das Wichtigste und Essentiellste im Qi Gong. Die Kenntnisse von Qi und seinen Eigenschaften und Strömungstendenzen und der Einsatz der Vorstellung machen erst das Wesen des Qi Gong aus und grenzen es von anderen körperlichen Disziplinen wie etwa Sport und Bewegungsübungen ab.

Für das Sammeln des Qi gibt es 2 Quellen:

Das Qi im Körper
Das Qi in der Umgebung außerhalb des Körpers

Man nimmt das Qi beim Einatmen aus der Umgebung außerhalb des Körpers auf und führt es in der Vorstellung in das Untere Dant'ien. Genauso sammelt man beim Einatmen durch Vorstellung das körpereigene Qi im Unteren Dant'ien. Das nennt man „das Sammeln von Qi“. Es ist immer mit Einatmen verbunden.
Im daoistischen Qi Gong übt man sich immerwährend in der Vorstellung, Qi im Dant'ien im Unterbauch aufzunehmen und zu sammeln. Egal ob man geht, steht, sitzt oder liegt, wird diese Vorstellung geübt, bis diese Vorstellung für den Übenden Realität wird. Das innere Bild des Übenden und die tatsächliche Qi Situation gleichen sich immer mehr an und es kann geschehen, dass sich mit zunehmender Übung das innere Bild der Vorstellung aufgrund der tatsächlichen differenzierten Wahrnehmung ändert. Durch das dauernde Üben, durch dauerndes Tun, kommt es zu einem Gewahrwerden der Realität des Qi und seiner realen Situation im Körper.

Das Verhalten und Strömungstendenzen von Qi:

Einatmen ist immer Sammeln von Qi, Ausatmen ist Loslassen.
Einatmen ist ruhig, man atmet Ruhe ein, Ausatmen ist locker, man entspannt bei der Ausatmung.

Bei den Qi Kreisläufen gibt es viele Versionen. Beim „Kleinen Himmlischen Kreislauf“ gibt es zwei daoistische Schulen, eine führt das Qi über Hui Yin, Du Mai, zum Bai Hui an de Schädeldecke und Ren Mai hinunter und die andere Schule lehrt eine kleinere Version, bei der die Gegend des Herzens mit der der Niere verbunden wird.

Bei Großen Kreislauf gibt viele Versionen. Wenn man durch ständiges Üben ein verfeinertes Körpergefühl entwickelt hat, sollte es bei entsprechende Achtsamkeit möglich sein, dass man die für sich die angenehmste Variante findet.

Wir alle haben die Erfahrung, dass wir am besten ausatmen, wenn wir etwas Schweres heben. Wenn man etwas wegstößt, atmet man aus. Ein Boxer atmet beim Faust-Schlag ebenfalls aus. Atmet man aber im Gegensatz dazu ein, merkt man sofort, dass da etwas nicht stimmen kann und der Bewegungsablauf gestört und nicht explosiv ist.

Mit dem Üben von Qi Gong entsteht im ständigen Tun die nötige Erfahrung und Sensibilisierung unserer Wahrnehmung des Qi in unseren Leitbahnen und Gefäßen. Wir fühlen dann, was angenehm ist, wie das Qi beim Atmen oder bei Körperbewegungen fließt und wie es unserer Vorstellung folgt. Wir spüren auch die Blockaden, wenn das Qi nicht fließt und anfängt zu stocken. Je mehr wir üben, desto sicherer werden wir in der Lage sein, das Qi entsprechend seiner Strömungstendenzen zu lenken.

Der natürlich Qi Fluss beim Qi Gong:

  • An der Vorderseite von Körper und Beinen fließt das Qi beim Ausatmen nach unten.
  • An der Hinterseite von Körper und Beinen fließt das Qi beim Einatmen nach oben.
  • An der Innenseite der Arme fließt das Qi beim Ausatmen vom Körper zur Hand.
  • An der Außenseite der Arme fließt das Qi beim Einatmen von der Hand zum Kopf.
  • In der Körper-Mitte vorne fließt das Qi beim Ausatmen nach unten.
  • An der Körper-Seite fließt das Qi beim Einatmen nach oben.


Die begleitende Vorstellung (Yi):


Wenn man einatmet, stellt man sich vor, dass man Qi aufnimmt.

Wenn man ausatmet, stellt man sich vor, dass man Qi abgibt oder im Körper zu gewissen Regionen oder Bereichen lenkt oder das Qi abgibt oder zu bestimmten Punkten hinleitet.

Atmet man ein, stellt man sich vor, dass etwas (z.B. das Dant'ien) größer wird, sich ausweitet und zunimmt. Beim Einatmen kommt es zur Zunahme.

Atmet man aus, stellt man sich das Gegenteil vor, etwas wird also kleiner und nimmt ab. Beim Ausatmen kommt es zur Abnahme.

Nach oben bedeutet zunehmen, nach unten bedeutet Abnehmen

Nach Innen bedeutet zunehmen, nach außen bedeutet Abnehmen





©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Freitag, 13. Mai 2011

Die Energiezentren im menschlichen Körper:

Um das Wesen und die Bedeutung der wichtigsten Energiezentren leicht verständlich darstellen zu können, folgt eine kurze Zusammenfassung aller diesbezüglichen Ausführungen in vorangegangenen Posts.

1.Im daoistischen Weltbild wird das Gefüge von KörperGeistSeele in seinen Teilbereichen nicht isoliert gesehen, sondern im funktionalen Zusammenhang des gesamten körperlichen Geschehens.

Im körperlichen Geschehen spielen Qi und das Fließen von Qi eine entscheidende Rolle, weil mit den damit verbundenen Funktionsvorgängen Rückkopplungseffekte im vegetativen und hormonellen System verbunden sind. Darüber hinaus gibt es einen solchen Effekt im sensiblen System der Schmerzleitbahnen.

2.Wir sollten uns die Energie-Leitbahnen, Meridiane und Nebenmeridiane etc. nicht allzu real als tatsächliche Kanäle im materiellen Sinn vorstellen, sondern eher als ein System von fein-stofflichen Energien, die in Verbindung mit Nervenbahnen, Blut, Lymphe und anderen Substanzen im Körper kreisen und nicht nur ein lebenswichtiges Versorgungssystem darstellen, sondern auch ein vitales Informationssystem zur Übertragung von Informationen bilden.

3.Schon durch die kleinsten, verschiedenartigsten Reize werden essentielle Informationen zur Aufrechterhaltung der Lebensfunktionen übertragen und das gesamte Energiesystem wird aktiviert, um eventuelle Disharmonien und Blockaden auszugleichen.

4.Die 8 Gefäße oder Wundermeridiane sollten besser nicht als Leitbahnen bezeichnet werden, sondern als Gefäße mit Strömungspotential. Diese Gefäße sind Energie Speicherseen (Reservoirs) und Energie-Ausgleichsbecken der Funktionskreise inklusive der entsprechenden Organe, nach denen die Funktionskreise benannt sind.

5.Mit der Geburt und mit dem Beginn der Atmung übernehmen die Energieleitbahnen, also die 12 Meridiane und die sogenannten Nebenmeridiane, die Aufgaben, welche die 8 Gefäße oder Wundermeridiane vor der Geburt im Fötus haben.

6.Bei der Entwicklung des heranwachsenden Menschen stellt die reichlich vorhandene Sexualenergie eine machtvolle Energie dar, die zur körperlichen und geistigen Reifung benötigt wird.

7.Lenkergefäß (Du Mai) und Dienergefäß (Ren Mai) können wir uns im Jugendalter als bis zum Überlaufen voll gefülltes Reservoir von Qi (insbesondere Yuan Qi und Jing) und Blut vorstellen.
Beide Gefäße, der am Rücken über den Nacken zum Scheitelpunkt am Kopf hoch führende Du Mai (Lenkergefäße) der im Zahnfleisch des Oberkiefers unter der Nase endet (Yang) und an der Vorderseite hinauf bis zum Endpunkt an der Zungenwurzel ziehende Ren Mai (Yin – Konzeptionsgefäß) befinden sich  in jugendlichen Jahren im Zustand der Fülle.

Das ist vergleichbar mit einem vitalen Baum, der im Frühling voll im Saft steht. Je näher der Winter kommt, desto schwächer wird der Saftstrom, bis er letztlich erlischt.

Beim Menschen ist das ähnlich. Hat der Mensch die volle Blüte erreicht, verliert seine Sexualenergie und Vital-kraft nach und nach an Potential. Das führt zum Ermüden und schließlich zum Stoppen der Strömungstendenzen und die Energie, die vorher kraftvoll nach oben drückte und die Zentren bis zur Schädeldecke (Bai Hui) mit Yang Qi versorgte, weicht zurück.
Der natürliche Alterungsprozess setzt ein, wenn die Energie im Du Mai im Bereich“ Dazhui“ (Großer Hammer oder Großer Wirbel Punkt ) zwischen 7. Halswirbel und 1. Brustwirbel nicht mehr hinauf zum Bai Hui strömen kann. Am Weg des Du Mai zum Bai Hui sind einige wichtige Pforten, die bei der Bewegung des Qi in den Kopf zu überwinden sind. Je weniger Pforten nach oben durchdrungen werden können, umso schneller schreitet der Alterungsprozess voran und die Vital-kraft schwindet.

Doch so, wie der gute (Hobby)Gärtner eine absterbende Pflanze durch Nährstoffe, Sprechen mit der Pflanze, berieseln mit Musik (Barockmusik), Licht, Sonne und Wärme wieder retten kann, können auch wir den Alterungsprozess durch den Einsatz sehr einfacher Methoden verzögern und die frühzeitige Alterung stoppen. Der Weg dazu führt über das Sammeln des Qi im untesten fein-stofflichen Energiezentrum und Aufsteigen des Yang Qi.

Dschuang Tse (3.Jh v. Chr.): „Benutze deinen Geist, um die Lebensenergie über den Du Mai nach oben steigen zu lassen. Dadurch kannst du deinen Körper gesund halten und dein Leben verlängern.“

8.Die Überzeugung der alten Chinesen, dass Materie und Energie eine Betrachtungsweise von „Ein und Demselben“ und daher ineinander wandelbar sind, wurde von der Atomphysik eindrucksvoll bestätigt. Wir wissen, dass Materie alleine eine Fiktion ist, Materie alleine gibt es nicht, Materie ist immer verdichtete Energie. „Durch Zusammenballung von Energie kann ein Körper und Leben entstehen, durch Zerstreuung entsteht der Tod“, wird aus dem alten China überliefert.

9.Daher ist auch der Mensch nicht nur strukturierte Materie, sondern auch ein physikalisch nachweisbares elektromagnetisches Kraftfeld, das nicht durch die Körperoberfläche begrenzt ist und über seine Körperhülle hinaus strahlt. Ob dieses messbaren elektromagnetische Feld tatsächlich nur auf elektromagnetische Wellen reduzierbar ist, oder ein Feld von verschiedenster fein-stofflicher Energien darstellt, kann von der Wissenschaft nicht beantwortet werden. Bei vertieftem Üben von Qi Gong entsteht beim Übenden eine sensibilisierte Wahrnehmen. Menschen mit verfeinerter und differenzierter Wahrnehmung können diese Frage für sich beantworten.

10.Beim Menschen ist das fein-stoffliche Energie-Feld ebenso vorhanden wie die körperlichen Strukturen. Dieses Gesamtsystem (aus Feinstoff und Materie) reagiert schon auf die kleinsten Reize, seien sie mechanischer Art wie durch Nadeln oder Druck, sei es Hitzeeinwirkung oder fein-stoffliche Reize wie Schwingungen , Schallwellen, Röntgen, Laser, Licht, Farben etc. oder seien es eigene innere Vorgänge wie Emotionen, Gefühle oder Vorstellungen und Lenkung der Aufmerksamkeit in Meditation und Qi Gong.

11.Der Mensch ist ein offenes Energie-System, das permanent mit den umgebenden Energie-Systemen kommuniziert und Energien (Informationen) austauscht. Das alles geschieht wie bei kommunizierenden Gefäßen. Die Energie fließt immer von der Fülle zur Leere. Mit wem ich meine Zeit teile, mit dem teile ich auch meine Energie!

12.Hier sei auf die Analogie Makrokosmos (Universum) und Mikrokosmos (Mensch) hingewiesen. Im Universum (als Manifestation des Dao) ist nach Überzeugung der Daoisten der Sitz der Urenergie, auch kosmisches Qi genannt, das der Mensch, der ja seinen Platz in der Mitte zwischen Himmel und Erde gefunden hat, immerwährend aufnimmt.
Das Zentrum dieser Ur Energie (Dao) als die Quelle aller Lebenskraft versorgt vom Zentrum hin zur Peripherie alle anderen unzähligen Energiefelder (alles Lebendige) mit dieser Energie. Jeder Körper im Raum ist als ein offenes Energie-System mit der Fähigkeit ausgestattet, diese Energie aufzunehmen, zu transformieren und abzugeben. Dazu bedient sich der (Energie)Körper einer Vielzahl der in ihm angelegten Energiezentren und behält dadurch das labile Gleichgewicht in seinem Energiesystem im Inneren und nach außen aufrecht.

Die 3 wichtigsten Energiezentren des Menschen:

In der daoistischen Philosophie gibt es ungefähr 12 Energiezentren, von denen drei davon als die Wichtigsten angesehen werden. Diese für den Daoismus typische Dreiteilung entspricht

„Himmel – Mensch – Erde“ sowie den drei Schätzen „Shen - Qi – Jing“.

Das „Obere Dant'ien“ („Shang Dant'ian“):

Das „Obere Danti'ien“ (die "Halle des Lichts")  liegt im Inneren des Kopfes hinter dem Punkt „Tian Mu“, zwischen den Augenbrauen über der Nasenwurzel. Das ist der „Speicher des Geistes (Shen)“ und reicht nach hinten bis zum Ende des harten Schädels. Dieses Energiezentrum ist mit den darunter liegenden Energiezentren „Mittleres Dant'ien“ und „Unteres Dant'ien“ und dem Punkt „Bai Hui“ an der Schädeldecke (Mitte) und dem Punkt „Hui Yin“ in der Mitte des „Perineum“ durch das „Zentralgefäß“, dem „Wunder Meridian“ „Chong Mai“ verbunden. Durch den „Bai Hui“ tritt das „Kosmische Qi“ ein und sinkt durch den „Chong Mai“ in alle darunter liegende Energiezentren.

Die Funktion des „Oberen Dant'ien“ betrifft alles „Mentale“, also Denken, Unbewusstes und Intuition.

Das „Mittlere Dant'ien“ („Zhong [Chong]Dant'ien“):

Das „Mittlere Dant'ien“ liegt in Brustmitte hinter dem Brustbein. Das ist die „Kammer des Qi“
und ist mit dem „Oberen und Unteren Dant'ien“ und mit „Bai Hui“ und „Hui Yin“ durch den Wundermeridian „Chong Mai“ verbunden.

Das „Mittlere Dant'ien“ ist Ort der Transformation vom „Brust Qi“ und „Yuan Qi“ zum „Zhen Qi“ („Wahres Qi“) und hat über das Brust Qi (Zong Qi) besondere Bedeutung für Herz, Lunge und Leber

Die Funktion des "Mittleren Dant'an betrifft alles "Emotionale".

Das „Untere Dant'ien“ („Xia Dant'ien)“:

Das „Untere Dant'ien“ liegt im Unterbauch, etwa 3 -4 Querfinger unter dem Nabel. Legt man die Hände vor dem Unterbauch mit den Handflächen nach oben ineinander, und zwar so, dass sich die Damenkuppen berühren und ein sogenanntes „Tigermaul“ formen, also, dass die Daumen schräg aufgestellt sind, so liegt in der Mitte des „Tigermauls“ das Dant'ien im Unterbauch. Das „Untere Dant'ien“ ist der Yang-Qi Speicher im Unterbauch, in dem „Jing“, „Qi“ und „Shen“ zusammenfließen . Wann immer „Dant'ien“ gesagt oder geschrieben wird, ist diese Dant'ien gemeint.
Die Funktion des "Unteren Dant'ien"  betrifft das  "Biologische".

Die Daoistische Tradition kennt 12 Energiezentren, sie werden als Hallen, Tore, Pforten oder Felder und Plätze bezeichnet. T'ien oder Tian wird mit Platz oder Feld übersetzt. In alter Zeit fanden die sakralen Feste auf großen und besonderen heiligen Plätzen statt. Deshalb hat auch T'ien
im Zusammenhang mit „Dant'ien“ eine besondere sakrale Bedeutung. Dan (Tan) ist das Zeichen für Zinnober, aber auch für medizinische Pillen oder Pulver. In der Überlieferung wird Dant'ien als Feld des Elixiers, Meer des Atems und Goldener Ofen bezeichnet.

Die Bedeutung des „Unteren Dant'ien“ geht in der daoistischen Tradition weit über die der anderen Energiezentren hinaus.

Dieses „Untere Dant'ien“ steht im Mittelpunkt der daoistischen Meditation.

Die erste Belehrung, die ich von meinem Meister erhielt lautete:
„Ob du gehst, stehst, sitzt oder liegst, denke immer an dein Dant'ien. Lass es nicht los. Behüte es wie deinen einzigen Schatz!“

Warum wohl? Was wollte Meister You Xuande?

Ein daoistisches Sprichwort sagt: „Wo dein Geist ist (das Bewusstsein), ist auch dein Qi!“

Im „Tai Ji Chuan“ lautet der Grundsatz: „Der Geist lenkt, das Qi folgt!“

Und: „Der Geist lenkt das Qi und das Qi lenkt den Körper!“

Wenn wir die Aufmerksamkeit durch dauerndes Üben auf das „Untere Dant'ien“ richten, so kommt es in diesem fein-stofflichen Zentrum zu einer Ansammlung von Qi. Das Qi folgt dem Geist, also der Aufmerksamkeit.Verstärkt wird dieser Effekt, wenn wir uns auch darauf konzentrieren, den Atem geistig in den Unterbauch ins Danti'ien zu führen. Wir stellen uns dabei das Dant'ien als kleinen Ball vor, der bei jeder Einatmung so groß wie eine Tennisball wird und sich beim Ausatmen wieder verkleinert. Beim Ausatmen spannen wir noch leicht das Perineum an. Diese Übung ist eine sehr wertvolle Basisübung zur „Öffnung des Kleinen Himmlischen Kreislaufs“ und leitet die mit der Öffnung verbundene spirituelle Entwicklung ein.
Man lernt dadurch, Qi zu lenken. Nicht nur im Körperinneren, sondern auch nach außen.

Die genaue Beschreibung der Übung zur „Öffnung des Kleinen Himmlischen Kreislauf“  folgt in einem gesonderten Post!

©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann

Sonntag, 8. Mai 2011

Die 8 Wundermeridiane

Im Post „Die Energieleitbahnen im menschlichen Körper“ ist folgendes zu lesen:




Die 8 „Gefäße“ oder „Wundermeridiane“ verbinden die 12 Meridiane (Hauptenergieleitbahnen) und regulieren dort den Fluss von Qi und Blut. Sie dienen als Energiereservoir der jeweils mit ihnen verbundenen Meridiane und sind in ihrer Funktion vergleichbar mit den Überfluss- und Speicherbecken in unseren Wassersystemen. Sie leiten also Überschussenergie (Blut und Qi) ab und speisen sie bei Bedarf wieder ein.“
Sie sind, wie im Post über vorgeburtliches Qi beschrieben (Post „Qi des früheren Himmels“) mit den Nieren und dem dort gespeicherten Yuan Qi verbunden und lassen das „vorgeburtliche Qi“ bei Bedarf im Körper zirkulieren. Sie haben über die Hauptmeridiane eine Brückenfunktion zwischen dem „vorgeburtlichen“ und „nachgeburtlichen“ Qi.“
Die Wundermeridiane haben im Gegensatz zu den Meridianen kein symmetrisches Spiegelbild, das ihre Funktionen und Aufgaben übernehmen könnte.
Nur 2 der 8 Wundermeridiane haben Akupunkturpunkte, 6 Wundermeridiane haben keine Akupunkturpunkte, sie stehen jedoch über bestimmte Kreuzungs- und Vereinigungspunkte mit den Meridianen in Verbindung und können über diese in die Akupressur und Akupunktur einbezogen werden.

Das Lenkergefäß (Du Mai):

Du“ bedeutet Gouverneur, „Mai“ heißt Gefäß. Wie der Name schon andeutet, regiert das Lenkergefäß als Gefäß des Ur-Yang wie ein Gouverneur über alle Yang Meridiane.

Dieser Wundermeridian beginnt zwischen Anus und Steißbein, passiert Ming Men (Tor des Lebens) und steigt über die Mittellinie des Rückens (er vereinigt sich durch einen Inneren Ast mit den Nieren) über Hinterkopf und Kopfmitte (Bai Hui (Himmelstor) zu Stirn und Nase und tritt zwischen Nase und Mund (Zahnfleischpunkt) zu seinem Ende im harten Gaumen ein.
Er wird auch als „Meer der Yang Meridiane“ bezeichnet, weil er die Energien der 6 Yang Meridiane bzw. Yang Organe ausgleicht. Sein Aspekt ist Yang. Er bildet im Bereich 7. Halswirbel und 1. Brustwirbel einen Kreuzungspunkt mit allen Yang Meridianen. Eine (Selbst)Massage dieses Bereichs im Uhrzeigersinn (tonisierend) bewirkt eine sofortige Anregung des Energieflusses und wirkt erfrischend und belebend.
Besonders wichtig ist, daß im Scheitelpunkt (Bai Hui, Mitte der Schädeldecke), auch Hundertfacher Sammler genannt, das bis hierher gelangte Qi nicht durch Abstrahlen verlorengeht. Dieser Bereich des Bai Hui soll in der Vorstellung immer von innen nach außen geschlossen sein. Das Qi, das es über den Rücken hinauf bis zu diesem Punkt geschafft hat, soll durch Aufmerksamkeit über Stirn und Nase zum Endpunkte im harten Gaumen hinter den oberen Schneidezähnen gelenkt werden. Durch die dort platzierte Zungenspitze wird die sogenannte Elsternbrücke gebildet, wodurch das Qi durch die Zunge und Zungenwurzel zum Endpunkt des Dienergefäßes (Ren Mai) gelenkt wird. Von der Zungenwurzel fließt das Qi in der Furche zwischen Kinn und Unterlippe in den außen verlaufenden Teil des Ren Mai. Von dort wird das Qi durch die Vorstellung über den Ren Mai über Mitte Brust und Bauch zum unteren Dant'en (3 Querfinger unter dem Nabel im Bauchinneren) hinunter geleitet Eine genaue Beschreibung folgt in einem neuen Post mit dem Titel „Kleiner Himmlischer Kreislauf“.
Durch das Richten der Aufmerksamkeit auf das Sinken des Qi in das untere Dant'ien wird auch das Feuer (Yang, gebildet durch Atem und Aufmerksamkeit) im unteren Dant'ien gesammelt und unter das Wasser der Nieren (Yin) im Unterbauch gebracht , vermehrt und durch eine Art Destillation verfeinert.
Die Beschreibung folgt in einem eigenen Post.
Diese beschriebenen Vorgänge kommen nicht von selbst zu Stande.

Im Kopf unerlässlich kreisende Gedanken sammeln unsere Aufmerksamkeit im Kopfbereich und verhindern das Absinken des Qi. Das führt zu einer Energiefülle und Hitzestaus im Kopfbereich, wodurch als unangenehmer Nebeneffekt Kopfschmerzen entstehen können.
Menschen, die ihren Geist zu stark beanspruchen, zu viel nachdenken, insbesondere über Dinge, die sie zwar quälen, die sie aber nicht ändern können, konzentrieren viel Qi im Kopfbereich und können nicht loslassen. Wer nicht loslässt, ist angespannt und blockiert seinen Qi-fluß.

Diesen Menschen fehlt „Fangsong“, ein Zustand der Entspannung, Ruhe und Natürlichkeit, der durch einfache Übungen hervorgerufen wird. Im Laufe der Zeit verlagert sich der Körperschwerpunkt immer weiter nach oben, man wird dem Geistigen Zustand entsprechend auch körperlich immer verkrampfter und steifer. Der Gang wird unsicher und sieht aus, als ginge man wie auf „rohen Eiern“ oder „wie auf Eis“. Durch die Einheit von KörperGeistSeele manifestiert sich das auf allen Ebenen. Viele unserer sogenannten Zivilisationskrankheiten und psychosomatischen Störungen sind auf diese Faktoren zurückzuführen.

In einem solchen Fall kann auch ein Ungeübter mit ein wenig Vorstellungskraft die Zungenspitze an den Gaumenbogen legen und sich bei jeder Ausatmung vorstellen, wie von der Schädeldecke (Bereich Bai Hui) ausgehend wunderbar wohltuend temperiertes glasklares Wasser vom Kopf durch seinen Körper zu den Fußsohlen strömt. Das wird von der Vorstellung begleitet, dass alles Trübe uns Belastende aus den Fußsohlen tief in den Boden gespült wird. Wenn dabei die Atemzüge gezählt werden und das Gesicht, der Kopf inklusive die Augen und alle großen Gelenke (Schultern fallen lassen, Hüften durch vorschieben des Beckens wie beim Niedersetzen entspannen, leicht in die Knie gehen) entspannt werden, vergehen die Kopfschmerzen in der überwiegenden Anzahl der Fälle von selbst.
Wenn diese einfache Übung täglich im Sitzen, Liegen, Stehen oder Gehen, am Besten in frischer Luft gemacht wird, wandert auch der Schwerpunkt wieder hinunter zur Körpermitte und die quälenden Gedanken werden reduziert. Man hat dann täglich die notwendige Entspannung, um die Belastungen besser balancieren zu können. Diese Übung stärkt die Gelassenheit und gibt Kraft und Energie.

In der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) hat der Du Mai bei Krankheitssymptomen des Zentralnervensystems, übermäßiger Erregbarkeit und Steifheit der Wirbelsäule große Bedeutung.
 
 
Das Konzeptions(oder Diener-)Gefäß (Ren Mai):

Ren“ bedeutet „Verantwortlicher“. Das Konzeptionsgefäß als Gefäß des „Ur Yin“ ist verantwortlich für alle Yin Meridiane.
Dieser Wundermeridian entspringt bei den Nieren, zieht hinunter zum Damm (Perineum) und tritt im Punkt Hui Yin (Tor des Todes), genau Mitte Damm gelegen, an die Körperoberfläche und steigt die vordere Körpermitte über Schambein, Nabel, Brustbein und Hals hoch bis zu der Furche zwischen Kinn und Unterlippe, tritt dort in das Kiefer ein und endet in der Zungenwurzel. Von dem Punkt in der Furche zwischen Kinn und Unterlippe führt auch je ein Innerer Ast links und rechts über die Wangen zu den Augen.

Er wird auch als das „Meer der Yin Meridiane“ bezeichnet, weil er die Energien der Yin Meridiane bzw. Yin Organe ausgleicht. Er ist der polare „Yin“ Partner des Lenkergefäßes „Yang“.

Dieser Wundermeridian weist 24 Akupunkte auf und ist von großer Bedeutung für Erkrankungen des Urogenitalsystems und bei Asthma.

Das Zentralgefäß (Chong Mai):
 
 
Chong“ bedeutet soviel wie Schwung oder Impuls.
Nach Ansicht der Daoisten ist der Chong Mai das erste im Embryo entstehende Gefäß und gibt den Lebensimpuls. Er entspricht dem Ursprung des Lebensprozesses („Wu Ji“), aus dem sich dann Du Mai (Ur-Yang) und Ren Mai (Ur-Yin) (entsprechen dem „Tai Ji“) manifestieren.
Der Chong Mai verbindet sich im Körper mit Nieren und Unterem Dant'ien und tritt im Hui Yin
(Mitte Damm) an die Oberfläche des Körpers und (es bilden sich 2 Äste, die ) in Körpermitte an der Körpervorderseite bis zu den Lippen hochziehen.

Über den Punkt Hui Yin können über den Chong Mai alle Wundermeridiane aktiviert werden.

Der Chong Mai ist das Reservoir der Vitalität und Vermittler zwischen Du Mai und Ren Mai.
Durch eine daoistischen Übung, die in einem gesonderten Post behandelt werden wird, und „Kleiner Himmlischer Kreislauf“ genannt wird, wird auch der Chong Mai aktiviert, was auch zu dem „Fangsong“ Zustand (Entspannung, die als heiterer Zustand von Gelassenheit bei verstärkter Wachsamkeit empfunden wird) führt, wodurch der Fluss von Qi und Blut in allen Wundermeridianen aktiviert wird und damit mit Vitalität und Lebensfreude verbessert und völlig neu empfunden wird.
Der Punkt Hui Yin ( auch das „Tor des Todes“) sollte nach daoistischer Ansicht nach außen geschlossen sein. Das im Körper kreisende Qi sollte immer ungestört diesen Punkt passieren können.

Aber was heißt, „Hui Yin“ sollte geschlossen werden, wie kann das Qi passieren, wenn der „Hui Yin Punkt“ geschlossen werden soll?

Laut Meister You Xuande hießt das, dass man in der Vorstellung Qi an diesem Punkt nie nach außen treten lassen soll, wie man es etwa bei den z. B. „Lao Gong“ Punkten auf der Handinnenfläche hinausstrahlen lässt, um Qi zu übertragen (Wai Qi). Da der „Hui Yin“ Bereich in engem Zusammenhang mit den Wundermeridianen steht, würde der Austritt durch „Hui Yin“ Verlust von ererbtem Qi, von dem lebensnotwendigen nicht auffüllbaren Yuan Qi bedeuten und unsere Lebensspanne verkürzen.
In diesem Blog wurde schon auf die daoistische Meditation verwiesen, wo durch Konzentration auf das untere Dant'ien und Synchronisation von Atem und Geist (und Bewegung) aus allen Substanzen im „Goldenen Ofen“ (gemeint ist das untere Dant'ien) das reine Yang destilliert wird und über die acht Wundermeridiane allen Meridianen zum Weitertransport zu Verfügung steht.

Nach daoistischer Philosophie ist die sexuelle Triebkraft des Menschen die mächtigste Energie.
Ist der Mensch jung, so erzeugt sein Sexualtrieb eine so gewaltige Energie, dass sie sein ganzes Leben durchdringt und Körper, Psyche und Seele steuert. Das ist nicht nur ein bedeutender Aspekt für die Fortpflanzung und Erhaltung des Lebens, sondern auch für die geistige Schöpferkraft und für die Spiritualität.
Wird nun der Mensch alt und krank, so ist das, weil seine sexuelle Energie erschöpft ist.
Sexuelle Energie ist die aktivste aller Energien und hat deshalb Yang-Aspekt. Diese Energie materialisiert sich im Sperma des Mannes und im Menstruationssekret der Frau. Beide Substanzen haben, obwohl sie flüssig sind, Yang-Aspekt.

Mit zunehmendem Alter produziert der menschliche Körper immer weniger dieser wichtigen Essenzen bis deren Quellen endgültig versiegen und dem Menschen im wahrsten Sinn des Wortes „der Saft ausgeht“ und das Ende naht.
Die erste Konsequenz aus dieser Erkenntnis ist für die Daoisten das Vermeiden sexueller Ausschweifungen. Die Kraft der machtvollen Sexualenergie soll aber nach daoistischer Ansicht genutzt werden, um in höchste feinstoffliche Energie (Shen) transformiert zu werden. Deshalb wurde auch der Geschlechtsakt nicht abgelehnt, sondern von einigen daoistischen Schulen bewusst gefördert, um durch Vermeiden des Samenergusses (den Samenerguss steuern lernen!) diese machtvolle Sexualenergie in einer inneren Alchemie zu nutzen, um das Leben zu verlängern und die Schöpferkraft zum Erreichen des Dao (Erleuchtung) zu stärken.
Der Hui Yin heißt deshalb auch „Tor des Todes“, weil bei jedem Samenerguss Yuan Qi verloren wird und ein Stück Lebensspanne geopfert wird. Auch im abendländischen Kulturkreis wird ja der Orgasmus als „kleiner Tod“ bezeichnet.

Nach daoistischer Philosophie lässt der „Wissende“ Feuer (Intellekt) und Wasser (Zeugungsvorgang) nicht nach außen wirken und verliert dadurch nicht seine Lebensenergie.
Er hält sie im Körper und lässt sie einander gegenseitig befruchten. Das nannten die Daoisten „Pflege des Inneren“

Das Gürtelgefäß (Dai Mai):

Das Gürtelgefäß umgibt den Unterbauch wie ein Gürtel. Er ist das einzige horizontale Gefäß im menschlichen Körper und teilt den Körper in zwei Hälften. Dieser Wundermeridian ist ein Reservoir für Yang Qi und reguliert Leber Yang und Leber Qi. Energetisch beeinflusst er besonders den Körper unterhalb des Nabels z.B. bei Sexualstörungen und Verdauungsproblemen.

Das Yang Verbindungsgefäß (Yangqiao Mai):

Dieser Wundermeridian zieht sich von der Ferse und Außenseite der Beine seitlich am Rumpf hoch zu den Augen und ist eine Abkürzung des Blasenmeridians.. Er bringt Yang Qi hoch zu den Augen sorgt dafür, dass übermäßiger Stau von Yang Energie im Kopfbereich nach unten abgeleitet wird. Gelingt das nicht und es kommt zu Kopfschmerzen, dann hilft in den meisten Fällen die oben beschriebene Übung.

Das Yin Verbindungsgefäß (Yinqiao Mai):

Dieser Wundermeridian zieht vom Innenknöchel auf der Innenseite der Bein durch Genitalien und Dant'ien auf der Vorderseite des Rumpfes nahe der Mitte hoch zum über die Kehle und vorbei an den Mundwinkeln zum inneren Augenwinkel, dem, Punkt Blase 1, also dem Beginn des Blasenmeridians. Dieses Gefäß ist eine Abkürzung des Nierenmeridians und bring Yin Energie direkt zu den Augen. Es besteht ein Bezug zu den Genitalien und zur Nierenfunktion.
Das Yin Vereinigungsgefäß (Yinwei Mai):

Dieser Yin Wundermeridian zieht auf der Innenseite der Bein über die Hüften seitlich am Rumpf
hoch und dann zur Mitte und vereinigt sich mit dem Ren Mai, dem Meer des Yin.
Im Yinwei Mai vereinigt sich das Qi aller Yin Meridiane des Körpers , gleicht sie aus und hat eine große Bedeutung bei Yin Schwächekrankheiten.

Das Yang Vereinigungsgefäß (Yangwei Mai):

Dieser Wundermeridian zieht vom seitliche Fuß über die Außenseite der Beine und seitlich am Rumpf. Er vereinigt die Energien aller Yangmeridiane, gleicht sie aus und schützt den menschlichen Körper gegen pathologische Faktoren von außen. Leberfeuer (verursacht Schwindel und Ohrgeräusche) kann über dieses Gefäß abgeleitet werden.


©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann
 

 

Mittwoch, 4. Mai 2011

Die Energieleitbahnen im menschlichen Körper

Schon Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung kannten die alten Chinesen das feinstoffliche Energiesystem des menschlichen Körpers. Bereits in der Steinzeit wurden spitze Steine zur Akupressur an bestimmten Körperstellen eingesetzt, um Schmerzen zu lindern und den Allgemeinzustand zu verbessern. Diese Steinwerkzeuge dienten später auch als Akupunkturnadeln und mit der Entdeckung des Feuers fand man heraus, dass bestimmte Schmerzen durch Einwirkung von Hitze verschwanden oder gelindert wurde, was zur Entwicklung der Moxibustion (Wärmebehandlung mit glühenden pflanzlichen Materialien) führte.

Im laufe der Zeit wurden aus Stein- Knochen- und Bambus-Nadeln schon im 2. Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung Metallnadeln.

Im Klassiker der chinesischen Medizin „Huangdi Nei Jing“, der 1. Teil , das „Huangdi Nei Jing Su Wen“ stammt aus ca. 2600 v. Chr., wurde der damalige Wissenstand der chinesischen Medizin über die Funktion und Krankheiten der Meridiane und über die Akupunkturpunkte niedergeschrieben und ist noch heute von grundlegender Bedeutung für die Ausbildung chinesischer Mediziner.

Das System der Leitbahnen besteht aus 12 (spiegelbildlich auf der linken und rechten Körperseite befindlichen ) „Meridianen“, aus 8 „Gefäßen“ (auch als „Wundermeridiane“ bekannt) und aus
15 sogenannten „Kollateralen“ .

Diese Leitbahnen sind sowohl an der Körperoberfläche als auch im Körperinneren vorhanden und verbinden die inneren Organe mit den Strukturen und Geweben des Körpers.

In diesem Netzwerk von Energiebahnen verbinden die Meridiane die inneren Organe untereinander und auch die Organe mit der Körperoberfläche, während die kleinen Verzweigungen der Meridiane, die sogenannten Kollateralen, die Meridiane untereinander und die Meridiane mit den äußeren Körperschichten verbinden.

Die 8 „Gefäße“ oder „Wundermeridiane“ (sie haben im Gegensatz zu den Meridianen kein Spiegelbild) verbinden die 12 Meridiane und regulieren dort den Fluss von Qi und Blut. Sie dienen als Energiereservoir der jeweils mit ihnen verbundenen Meridiane und sind in ihrer Funktion vergleichbar mit den Überfluss und Speicherbecken in unseren Wassersystemen. Sie leiten also Überschussenergie (Blut und Qi) ab und speisen bei Bedarf wieder ein.

Sie sind, wie im Post über vorgeburtliches Qi beschrieben (das „Qi des früheren Himmels“) mit den Nieren und dem dort gespeicherten Yuan Qi verbunden und lassen das vorgeburtliche Qi bei Bedarf im Körper zirkulieren. Sie stellen über die Hauptmeridiane eine Verbindung zwischen dem„vorgeburtlichen“ und „nachgeburtlichen“ Qi her.

Auf diesen Leitbahnen liegen an der Körperoberfläche klar definierte Stellen (Akupunkturpunkte), an denen durch Druck (Akupressur) oder Nadeln (Akupunktur) oder Moxibustion (Hitze) zum Aktivieren der Meridiane oder zur Behandlung von Krankheitssymptomen Reize gesetzt werden können.

Hierzu kommen noch Akupunktur-Punkte, die ganz allgemein der Stärkung von KörperGeistSeele dienen.

Qi bewegt sich im 24- Stunden-Takt wellenförmig kreisend durch den Körper und versorgt auch die entferntesten Körperzellen. Wird Qi blockiert oder der Qi-fluß behindert, so führt schon der kleinste Stau zu einem Energieungleichgewicht, der auch an scheinbar unbeteiligten Stellen des Körpers Krankheiten auslösen kann.

Krankheiten ihrerseits bewirken, dass der Körper an anderen Stellen Qi abzieht, um die kranken Körperstellen oder Organe bzw. Funktionskreise mit Qi zu versorgen. Das kann wiederum neue Probleme im Energiefluss hervorrufen und mehr und mehr zu einer Schwächung des Immunsystems (Abwehrqi [WEIQI]) führen. Setzt sich das fort, so ist zu befürchten, dass das zu einer Lawine von Krankheitssymptomen führt. Daher gilt nach der TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) jede Krankheit als Symptom eines energetischen Ungleichgewichts.

Die Energiebahnen im Überblick:

Wir haben spiegelbildlich auf jeder Körperseite 6 Meridiane „der Hand“ und 6 Meridiane des „Fußes“. Diese Meridiane gelten symmetrisch für beide Körperseiten und sind in der Therapie beliebig wählbar und auch austauschbar.

Die Meridiane tragen die Namen der Organe, denen sie zugeordnet sind und haben deren Yin- oder Yang-Aspekt.

6 Organe inklusive dazugehörige Meridiane sind Yin, weil sie das Qi speichern , es sind dies die vollen Organe (Zang).

Die 6 anderen Organe inklusive dazugehörige Meridiane sind Yang, das sind die hohlen Organe (Fu), die Qi produzieren.

Jeder der 12 Meridiane hat äußere, unter der Haut liegende Verläufe und innere, durch das Körperinnere fließende Verläufe.

ACHTUNG: Wir sprechen hier von Organen im Sinne der TCM, nicht im Sinne der westlichen Schulmedizin.

Wie schon oft in diesem Blog betont, hat die TCM das daoistische Menschenbild übernommen. Der Mensch wird als lebende, untrennbare Einheit von Körper, Seele und Geist definiert.

In der westlichen Medizin wird der menschliche Körper nach dem mechanischen Weltbild Newtons in seine Einzelteile zerlegt, jedes Organ wird als funktionelle Einheit betrachtet.

In der TCM bedeutet Organ einen Funktionskreis, ein komplexes System von Emotion, Gewebe, Sinnesorgan, Geschmack usw. Das chinesische Diagnosesystem erfasst außen-innen, heiß-kalt,
Leer – Fülle, Yin – Yang und kann Störungen schon zuordnen und therapieren, wenn die westliche Medizin noch von psychosomatischen Störungen ausgeht und nicht therapiert, weil eben noch keine klinischen Störungen manifestiert sind. Hier soll natürlich nicht abgewogen und bewertet werden, man denke nur an die schuldmedizinischen Erfolge bei epidemischen Erkrankungen, in der Transplantationsmedizin, Chirurgie usw. Beide Systeme haben ihre Stärken und sollten nicht alternativ sondern komplementär (also einander ergänzend) eingesetzt werden.

6 Organe mit Yin-Aspekt , Zang, sind: Lunge – Herz – Milz – Nieren – Leber.
Dazu kommt als verbindender Funktionskreis (Organ) der Herzbeutel oder Perikard, als Meridian KS, Kreislauf – Sexus genannt.( Bezeichnung nach einem Teil seiner Funktionen.

6 Organe mit Yang-Aspekt, Fu , sind: Dickdarm - Dünndarm - Magen - Blase – Gallenblase.
Dazu kommt der Meridian „Dreifacher Erwärmer“, dem als eigener Funktionskreis Organeigenschaft zugeordnet wird, weil er wesentliche Verteilungsfunktion für das Wahre Qi
(Zhen Qi) im ganzen Körper hat. Dreifach deshalb, weil er sich in drei Äste aufteilt. Ein Ast führt in die Atmung, einer in die Verdauung und einer in die Ausscheidung.

Die Yin- und Yang-Meridiane sind über Seitenäste paarweise gekoppelt .

Die Yin-Meridiane der Hand (Lunge – Herz – Perikard) verlaufen von der Brust auf der Arm Innenseite zu den Fingerspitzen.

Die Yang-Meridiane der Hand (Dickdarm – Dünndarm – Dreifacher Erwärmer) verlaufen von den Fingerspitzen auf der Arm Außenseite zum Kopf.


Die Yang Meridiane des Fußes verlaufen:

Magen vom Kopf über Körpervorderseite zu den Zehen
Blase von Kopf über Körperrückseite zu den Zehen
Gallenblase vom Kopf an der Körperseite zu den Zehen

Die Yin Meridiane des Fußes verlaufen:

Milz von den Zehen auf der Innenseite der Bein hoch zur Brust
Niere vom Punkt sprudelnde Quelle an der Fußsohle (zwischen ersten und zweiten Drittel der Fußsohle in der Mitte gelegen) Innenseite der Beine hoch zu Brust
Leber von den Zehen Innenseite der Beine hoch zur Brust.

Der Kreislauf funktioniert in folgender Reihenfolge und Flussrichtung (angeführt sind auch die Zeiten der Hauptaktivität der Funktionskreise):

Lungen-Meridian der Hand (Yin) 3h – 5h
Dickdarm -Meridian der Hand (Yang) 5h – 7h

Magen-Meridian des Fußes (Yang) 7h – 9 h
Milz-Meridian des Fußes (Yin) 9h – 11h

Herz-Meridian der Hand (Yin) 11h – 13h
Dünndarm -Meridian der Hand (Yang) 13h – 15h

Blasen-Meridian des Fußes (Yang) 15h – 17h
Nieren-Meridian des Fußes (Yin) 17h – 19h

Perikard-Meridian der Hand (Yin) 19h – 21h
Dreifacher Erwärmer-Meridian der Hand (Yang) 21h – 23h

Gallenblasen-Meridian des Fußes (Yang) 23h – 1h
Leber-Meridian des Fußes (Yin) 1h – 3h

Qi zirkuliert in diesem großen Kreislauf ständig in unserem Körper, ist aber zu den oben angegebenen Zeiten jeweils in diesen 2 Stunden am stärksten in dem jeweiligen inneren Organ und im dazugehörigen Meridian aktiv. Während der 2-stündigen Hauptaktivität eines Organs/Meridians finden 4 Umläufe durch alle Organe/Meridiane statt.


Zusammenfassend startet das Qi den Kreislauf im Brustbereich und fließt an den Innenseiten der Arme bis zu den Fingern. Im Bereich der Fingerkuppen strömt das Qi aus den Handflächen auf die obere Seite und dort auf der Außenfläche der Arme über den Schulterbereich zum Kopf.

Vom Kopfbereich breitet sich die Energie über Rücken oder über die Flanken an der Außenseite beziehungsweise über den Rückseite der Beine und über die Fußrücken zu den Zehen aus.

Von den Zehenspitzen läuft die Energie über die Fußinnenseite, die Innenseiten der Beine über den Bauch zur Brust zurück.

An den Innenseiten (Von der Brust über Arm-Innenseite, Hand-Innenflächen zu den Fingern und von der Fuß-Innenseite, über Bein-Innenseite und Bauch zur Brust) verlaufen die Yin-Leitbahnen.

Alle Leitbahnen an den Außenseiten sind die Yang-Leitbahnen.
Also von der Brust zur Hand verläuft Yin (Innenseite)
Von der Hand zum Kopf verläuft Yang (Außenseite)
Vom Kopf zum Fuß verläuft Yang (Außenseite)
Vom Fuß zur Brust verläuft Yin (Innenseite)






©2011 Copyright: Dr. Reinhard Hörmann